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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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krallte ihre Finger in das Holz ihres Stuhls, als könne sie Kraft daraus ziehen.
    »Ich könnte mich bis zum Altar weigern. Dann darf kein Priester mich vermählen.«

    Aliénors lautes Lachen traf sie wie eine Ohrfeige.
    »Henri ist hier der König, begreifst du nicht? Und er versteht sich vortrefflich darauf, König zu sein. Es gefällt ihm. Der einzige Priester, der es jemals wagte, ihm die Stirn zu bieten, ist Thomas Becket, der andere Sorgen hat, als sich für ein junges Mädchen einzusetzen, das keinen Prinzen heiraten will. Wenn du zu laut gegen diese Ehe protestierst, wird sich eben ein schwerhöriger Priester finden.«
    Marie hatte das Gefühl in einen tiefen Abgrund zu fallen. Sie schloss die Augen und wünschte, sie niemals wieder öffnen zu müssen. Warum war es ihr nicht gelungen, aus dem Fenster in Hawisas Zimmer zu kriechen? Lieber wäre sie kopfüber auf steinernen Boden gefallen als sich in dieser ausweglosen Lage zu befinden.
    Eine leichte Berührung an den Fingern ihrer rechten Hand riss sie aus diesen Gedanken. Marie sah die Edelsteine von Aliénors Ringen wie rote und blaue Sterne im Licht der Lampen blitzen. Auf dem Handrücken der Königin standen die Adern hervor, und ein feines Netz von Fältchen zog sich über ihre Haut. Es war ein eigenartiges Gefühl, von der schönen Dame berührt zu werden. Obwohl es ihre kühnsten Träume überstieg, empfand Marie nur leichtes Unbehagen.
    »Es muss nicht das Ende der Welt für dich bedeuten«, meinte Aliénor sanft. »Viele Frauen müssen Männer heiraten, die ihnen nicht gefallen. Aber der wesentlich ältere Gemahl kann irgendwann sterben und seiner Frau ein eigenes Erbe hinterlassen. Manchmal finden sich Möglichkeiten, die Ehe wieder auflösen zu lassen. Du darfst nicht verzweifeln, Marie. Dein Leben endet nicht in dem Moment, da du die Frau von Cadell ap Gruffydd wirst. Doch höre auf, dich weiter zu widersetzen. Im Augenblick habe ich Henri beruhigen können. Er sieht ein, dass du wild aufgewachsen
bist und dich deshalb nicht zu benehmen weißt. Einmal wird er dir vergeben, aber reize ihn nicht weiter.«
    Marie senkte den Kopf. Sie fühlte sich von den Worten der Königin erdrückt.
    »Deine Hochzeit mit Cadell soll übrigens in seiner walisischen Heimat stattfinden. Du wirst nach dem Fest von Mariä Himmelfahrt aufbrechen. Zunächst einmal kannst du uns noch nach Westminster begleiten«, meinte Aliénor zum Abschied. Marie fehlte nun die Kraft, sich weiter aufzulehnen. Sie dachte an Cleopatra, die in ihrem engen Käfig von Ort zu Ort geschleppt wurde. Ähnlich verlief offenbar das Leben einer höfischen Dame.
     
    Die Kolonne in Richtung Wales war überschaubar. Marie reiste wieder in einem überdachten Wagen, den sie diesmal nur mit Hawisa teilte. Es war ein beachtlicher Aufstieg für eine gewöhnliche Dienstmagd, nun als persönliche Zofe an der Seite ihrer Herrin sitzen zu können, anstatt sich mit dem gewöhnlichen Gesinde einen Karren voller Stroh zu teilen, doch war Marie sich nicht sicher, ob es nicht dennoch eine Strafe für Hawisa darstellte, ins ferne Wales geschickt zu werden. Dort würde sie kaum Nachrichten von ihrer Londoner Familie empfangen können. Sie schwiegen beide seit ihrer Abreise und ließen sich auf holprigen Pfaden geduldig durchschütteln. Marie erinnerte sich an das Fest zu Mariä Himmelfahrt, den riesigen, hell erleuchteten Raum der Abteikirche von Westminster, wo sie plötzlich das Gefühl überkam, aller irdischen Qual zu entkommen, wenn sie zum schwindelerregend hohen Gewölbe über ihr blickte. Feierliche Hymnen klangen immer noch in ihren Ohren, und sie meinte, all die mit bunten Schleifen geschmückten Sträuße aus Kräutern wieder auf dem goldbestickten Altartuch zu sehen. Die höfische Welt hatte in Westminster noch einmal
all ihre Pracht entfaltet, bevor Marie aus ihr verbannt wurde.
    Der Wagen kam plötzlich so stark ins Holpern, dass sie alle beide zur Seite rutschten und gegen die hölzerne Wand stießen. Cleopatra krächzte empört. Marie strich über die Stäbe des Käfigs. Sie hatte überlegt, den Vogel bei Torqueri zu lassen, doch bestand ihr einziger Trost darin, sich nicht von dieser geliebten Kreatur trennen zu müssen. Als Gemahlin eines Prinzen würde sie ihren Papagei vielleicht frei fliegen lassen dürfen. Sobald der Wagen wieder ins Gleichgewicht gekommen war, beugte Hawisa sich vor und musterte Cleopatras grünes Gefieder.
    »Das ist ein hübscher Vogel, Madam«, meinte sie. Seitdem Marie

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