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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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aufrecht und gefasst zu wirken, obwohl ein letzter Funken Stolz sie dazu drängte.
    Sie stiegen eine Wendeltreppe hoch, dann klopfte der Ritter
an eine Tür und wurde hereingerufen. Die helle, melodische Stimme kam Marie seltsam vertraut vor. Während sie noch überlegte, wer sie da wohl erwarten mochte, schubste Guy de Osteilli sie auch schon in das Zimmer, um dann die Tür hinter ihr zufallen zu lassen.
    Es dämmerte bereits, und der kleine Raum war in graues Licht getaucht. Auf den Wandbehängen konnte Marie nur dunkle Umrisse erkennen. Auf einem Tisch brannten kleine Flammen in flachen Schalen. Der starke, beißende Geruch von Kerzen fehlte, die Luft schien angenehm frisch.
    »Setz dich, Marie. Du hast ein aufregendes Abenteuer hinter dir. Möchtest du einen Becher Wein?«
    Mit einem Mal wusste Marie wer hier sprach. Ihre Knie gaben nach, und sie sank ehrerbietig zu Boden.
    »Es ist schon gut! Steh auf und setz dich hin!«, meinte Aliénor mit einer ungeduldigen Handbewegung.
    Marie gehorchte und sank auf einen Stuhl. Dieser Raum musste Aliénors persönliches Gemach sein, wo gewöhnlich nur die Zofe und Petronilla Zutritt hatten. Aliénor wirkte weitaus weniger herausgeputzt als sonst. Das goldbraune Haar fiel in weichen Locken über ihre Schultern, da Schleier und Gebände fehlten, um es in Form zu halten. Kein Geschmeide blitzte an ihrer Gestalt, abgesehen von drei kleinen Ringen, die im Licht der Flammen aufleuchteten, als Aliénor den Krug ergriff, um die Weinpokale zu füllen. Es schien eine Verkehrung der natürlichen Ordnung, als flögen mit einem Mal Fische durch die Luft und Wölfe flüchteten angstvoll vor Lämmern, die Königin eine solche Tätigkeit selbst ausführen zu sehen.
    Maries Angst hatte sich in stummes Staunen verwandelt. Gleichzeitig spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrem Hinterkopf, der von ihrem Aufprall auf den Boden in Hawisas Haus herrühren musste und nun so stark wurde, dass
ihr übel zu werden begann. In der Hoffnung, ihn ein wenig zu betäuben, nahm sie einen großen Schluck von dem Wein.
    »Nun Marie, ich habe mir sagen lassen, du bist aus lauter Begeisterung über deine bevorstehende Hochzeit gleich bis nach London gelaufen«, meinte die Königin belustigt, als wolle sie eine harmlose Plauderei beginnen. Marie holte Luft. Ihr war nicht zum Scherzen zumute.
    »Ich will Cadell ap Gruffydd nicht zum Gemahl, und wenn er tausendfach ein Prinz ist und ich nur die Tochter einer Küchenmagd bin«, sagte sie. Eine Weile blieb es still, während Aliénor an ihrem Becher nippte.
    »Nun, da geht es dir nicht anders als vielen anderen jungen Mädchen vor ihrer Hochzeit«, meinte die Königin schließlich. »Meinst du etwa, mich hat jemand gefragt, ob ich den Sohn des französischen Königs zum Gemahl wollte? Und der arme Louis, er war für eine kirchliche Laufbahn erzogen worden, was ganz seinem lammfrommen Wesen entsprochen hätte. Doch als sein ältester Bruder starb, musste er eben Thronfolger werden.« Die Königin lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Mich bekam er, weil sein Vater Aquitanien zu seinen Ländereien hinzufügen wollte«, fuhr sie dann fort. »Aber ich gefiel dem schüchternen Knaben vom ersten Augenblick an. So sehr, dass er deshalb gleich ein schlechtes Gewissen bekam, weil ihn bei meinem Anblick die Lust zu kitzeln begann. Sein Lehrer, der stinkende heilige Bernard de Clairvaux, hatte ihm nämlich erklärt, dass er auf ewig in der Hölle schmoren müsste, wenn er sich der fleischlichen Begierde ergab. Selbst mit der angetrauten Ehefrau war es nur an bestimmten Tagen erlaubt. Und da sollte ich möglichst schnell einen Thronfolger gebären.«
    Sie stieß ein lautes Lachen mit bitterem Unterton aus. Marie meinte, sich in einem jener Träume aus ihrem vergangenen Leben in Huguet zu befinden. Sie saß der schönen
Dame gegenüber, und diese plauderte, als seien sie seit Jahren miteinander vertraut. Aliénors Gesicht war nun frei von Schminke. Um die Mundwinkel und unter den Augen hatten sich erste Falten in ihre helle Haut gegraben. Im Licht der kleinen Flammen entdeckte Marie ein paar graue Strähnen inmitten der dichten Haarpracht, die über die Schultern der Königin wallte. Doch schienen diese kleinen Makel ihre Schönheit nur zu verstärken, denn sie wurden von Aliénor überstrahlt.
    Marie senkte verwirrt den Blick. Sie musterte das Flackern der Flammen, die in einer unbekannten Flüssigkeit schwammen.
    »Öllampen«, erklärte Aliénor, als habe sie Maries

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