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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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wieder nach Woodstock gebracht worden war, hatte Hawisa sogleich aufgehört, sie mit ihrem Namen anzureden. Marie nahm es hin. Erfreut über ein erstes Zeichen von Lebensfreude seitens ihrer Dienerin, die seit der Abreise aus Westminster nur bedrückt dagesessen war, griff sie in einen Beutel und hielt ihr Körner hin.
    »Füttere sie. Dann wird sie dich mögen.«
    Hawisa folgte der Aufforderung und strahlte wie ein glückliches Kind, als Cleopatra die dargebotene Nahrung von ihren Fingern pickte. Marie seufzte und lehnte sich zurück. Vielleicht würde das bevorstehende Leben nicht so schlimm werden, wenn sich genug Kleinigkeiten fanden, die es erträglich machten. Hatte Guillaumes wesentliche Freude nicht darin bestanden, Wein zu trinken und seine Zuhörer mit endlosen Tiraden zu ermüden? Wer auf die Erfüllung tiefer Sehnsüchte hoffte, wurde vielleicht gerade für diese Anmaßung durch tiefe Enttäuschung gestraft.
    Sie blickte nach draußen, sah bewaldete Hügel und grüne Senken. Gelegentlich schlängelte ein schmaler Fluss vorbei. Städte gab es nicht in diesem Wales, nur vereinzelte Dörfer,
wo Schafe zahlreicher schienen als Menschen. Ein Pferd näherte sich dem Wagen, und kurz darauf neigte Guy de Osteilli ehrerbietig den Kopf.
    »Ihr werdet meine zukünftige Herrin sein, Demoiselle« grüßte er. »Auch ich wurde in die Wildnis geschickt, um dort nach dem Rechten zu sehen.«
    Marie hatte dies bereits gewusst, nahm aber den bitteren Unterton zur Kenntnis.
    »Vermutlich wäret Ihr lieber in Henris Diensten geblieben«, stellte sie fest. In Gedanken fügte sie hinzu, dass es dem Ritter recht geschah. Hätte er sie fliehen lassen, wäre auch er bei Hofe geblieben.
    Guy de Osteilli lächelte tiefgründig und verständnisvoll, als habe er ebenjene Gedanken erraten, hege deshalb aber keinen Zorn.
    »Ich stehe weiterhin in Henris Diensten. Doch in seiner Allmacht hat mein Dienstherr beschlossen, mich nach Wales reisen zu lassen. Ihr scheint mein Stern zu sein, Demoiselle. Ich folge Euch ins Glück oder ins Verderben.«
    Für diesen Satz hätte Emma viel gegeben, doch er war voll beißendem Spott.
    »Mir scheint, wir bringen einander nur Unglück, Sire«, meinte sie.
    Der Ritter schüttelte den Kopf und holte Luft für eine längere Rede, die wohl als Trost gedacht war: »Wer vermag schon zu sagen, welches Schicksal uns in dieser barbarischen Wildnis erwartet? Mit etwas Glück machen die Waliser Henri bald wieder Ärger, und dann können wir vielleicht sogar nach Hause. Ich habe mich umgehört, Demoiselle. Die Waliser stellten uns großzügig einen Führer zur Verfügung, der die Gegend und sogar unsere Sprache kennt. Wollt Ihr wissen, wie die Dinge in der Heimat Eures zukünftigen Gatten stehen?«

    Marie war sich nicht sicher, ob sie das wollte, denn es behagte ihr nicht, an die Zukunft zu denken. Sie hatte auch nicht vorgehabt, jemals wieder mit Guy de Osteilli zu plaudern. Doch stets entwickelte ihr Leben sich anders als erhofft. Sie kam nicht gegen ein Gefühl der Erleichterung an, dass der ihr vertraute Ritter sie in die Fremde begleitete.
    »Gut, was berichtet der Führer?«, fragte sie. Es machte keinen Sinn, sich in Schwermut zu flüchten und die Augen vor der Welt zu verschließen.
    »Nun«, begann Guy de Osteilli. »Die Waliser sind ein eigenartiges Volk. Sie machen keinen Unterschied zwischen legitimen Söhnen und Bastarden. Deshalb gibt es bei ihnen noch mehr Kämpfe um die Nachfolge, sobald ein Herrscher stirbt. Es gab da einen bekannten Herrscher namens Hywel Da, dem es gelang, diesem gesetzlosen Land so etwas wie Ordnung zu geben. Man mag zum Wohle der Waliser nur hoffen, dass er dabei nicht so betrunken war, wie es Euer Zukünftiger die meiste Zeit zu sein scheint.«
    Marie hörte sich lachen, obwohl sie keineswegs heiter gestimmt war.
    »Wales besteht aus drei großen Herrschaftsgebieten«, fuhr der Ritter fort. »Wir sind in jenen mit dem unaussprechlichsten Namen unterwegs: Deheubarth. Euer zukünftiger Gemahl, einer von zahllosen Söhnen des letzten Herrschers, schaffte es nicht, dort die Herrschaft an sich zu reißen, vielleicht, weil er lieber tief in den Bierkrug blickt, als mit dem Schwert um sich zu schlagen. Das gelang Rhys ap Gruffuydd, der dem Kämpfen keineswegs abgeneigt ist. Zunächst wollte er jenes Land, das sich im Besitz normannischer Herren befand, wieder für sich beanspruchen, und hat uns ziemlich viel Ärger gemacht. Jetzt hat der König ihn in die Grenzen gewiesen, welche

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