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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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da heißen: Cantref Mawr. Dies ist der Bezirk, der dem edlen Rhys noch geblieben ist.«

    Marie fragte sich, wie man sie als Henris Nichte dort wohl willkommen heißen würde, wenn ihr Onkel den Walisern doch den Großteil ihres Landes entrissen hatte. Unbehagen stieg in ihr hoch, verbunden mit dem wieder in aller Heftigkeit erwachten Wunsch, ihrer Lage irgendwie entkommen zu können. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick ins Freie, wo immer noch dichter Wald an ihr vorbeizog. Selbst wenn es ihr gelang, aus dem Wagen zu springen und zu laufen, würde sie in dieser unbekannten, kaum besiedelten Fremde keine Woche überleben.
    Guy de Osteilli schien ihre Gedanken erneut erahnt zu haben, denn er lenkte sein Pferd so nahe an den Wagen heran, dass sie niemals an ihm vorbeigekommen wäre. Gleichzeitig plauderte er munter weiter: »Zunächst einmal fällt in diesem Wales die eigenartige Sprache auf. Man meint, dass sie nur aus Knurr- und Würgelauten besteht, doch mit der Zeit gewinnt sie an Reiz. Gleichzeitig scheint ein beklagenswerter Mangel an Namen zu herrschen. Wie meint Ihr hieß der Vater von Rhys ap Gruffydd und Eurem Zukünftigen?«
    »Woher soll ich das wissen?«, fragte Marie, die den Redefluss des Ritters nun allmählich so ermüdend zu finden begann wie Guillaumes Tiraden.
    »Nun, Ihr könntet raten, aber Ihr kämt niemals darauf. Er hieß Gruffydd ap Rhys. Prinz Rhys hat bereits ein Dutzend Kinder von verschiedenen Frauen. Drei seiner Söhne hat er Maredudd genannt und zwei Töchter Gwenllian, wie auch seine offizielle Gemahlin heißt. Vielleicht wäre es ihm zu anstrengend, sich bei derart vielen Nachkommen unterschiedliche Namen zu merken. So braucht er nur drei oder vier aufzuzählen und siehe da, er ist von einer unüberschaubaren Kinderschar umgeben …« Marie lächelte höflich, warf Hawisa einen vielsagenden Blick zu und sah deren Augen spöttisch funkeln. Mit einem Mal war ihr weniger unwohl,
denn das Gefühl, von zwei vertrauten Menschen umgeben zu sein, wirkte beruhigend.
     
    Die Burg mit dem eigenartigen Namen Dinefwr lag auf einem dicht bewaldeten Hügel. Zu ihren Füßen schlängelte sich ein Fluss vorbei, der Tywi hieß. Marie empfand Erleichterung, weil die Umrisse der hohen Türme und Zinnen sie an all jene Burgen erinnerten, in denen sie während ihrer Zeit als königliche Hofdame gewohnt hatte. Nicht alles in diesem Wales war so fremd wie die Sprache.
    Sie überquerten den Graben, und das Tor wurde geöffnet, um der Kolonne Einlass zu gewähren. Maries Kehle wurde eng. Sie hatte bereits viele Burgen betreten, doch niemals mit dem Wissen, dass dort ein Bräutigam auf sie wartete. Sie ließ ihren Blick über den Hof schweifen, sah die üblichen Lagerräume, Hunde, Wachen und Dienstboten. Mit Cleopatras Käfig in der Hand stieg Marie aus dem Wagen, und Hawisa folgte ihr. Sie bemerkte, wie Guy de Osteilli angeregt mit einem jungen Mann plauderte, der wohl jener redefreudige Führer sein musste, von dem er bereits einiges über Wales erfahren hatte. Marie staunte über die anmutige Erscheinung des Jünglings. Er hatte deutlich ausgeprägte Wangenknochen und große, sanfte Augen. Das haselnussbraune Haar fiel in weichen Locken über seine Schultern. Dieser beinahe weiblich hübschen Erscheinung widersprachen die breiten Schultern und kräftigen Arme. Da der junge Mann von kleinem Wuchs war, musste Marie an einen Kobold denken. Er hatte seinen Blick auf das Gesicht ihres Ritters gerichtet, als wolle er verhindern, dass ihm irgendeines von dessen Worten entging. Während der Reise schien zwischen ihnen bereits enge Verbundenheit entstanden zu sein. Marie überkam die Ahnung von etwas, wofür sie keine Worte hatte.
    »Ist dies die normannische Braut des Prinzen Cadell?«,
wurden sie von einer Frau auf Englisch angesprochen. Vor Marie stand eine große, kräftige Erscheinung in einem schlichten Gewand aus braunem Leinen. Ihr hellblondes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, und ein Reif aus Bronze thronte auf ihrem Kopf.
    »Dies ist Marie d’Anjou, Nichte des Königs Henri von England«, hörte sie Hawisa antworten.
    »Mary Tantschu«, wiederholte die blonde Frau bemüht und wandte sich erneut an Hawisa. »Sage deiner Herrin, dass ich sie auf Burg Dinefwr willkommen heiße. Ich bin Gwenllian ferch Madog, Gemahlin des Prinzen Rhys.«
    Hawisa blickte etwas verlegen drein, als wisse sie nicht, ob sie übersetzen sollte oder erklären, dass ihre Herrin die englische Sprache schon recht gut verstand. Marie

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