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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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beschloss, ihr diese Entscheidung abzunehmen und ein für alle Mal deutlich zu machen, dass sie kein lebloses Ding war, das hier übergeben wurde.
    »Seid mir willkommen, zukünftige Schwägerin und Herrin von Deheubarth«, meinte sie auf Englisch so gut sie konnte. »Euer Gemahl ist ein großer Herrscher der Waliser.«
    Das verblüffte Gesicht Gwenllians schenkte Marie einen Moment des Triumphs. Sie sank in die Knie, wie sie es bei Hofe gelernt hatte. Auf einmal gefiel es ihr, den Walisern ihre mühsam erworbenen Manieren einer wahren Dame zu zeigen.
    »Nur wenige Normannen sprechen Englisch, Mary Tantschu«, erwiderte Gwenllian langsam und deutlich, als rede sie mit einer Schwachsinnigen. »Es freut mich, dass Ihr es tut. Vielleicht werdet Ihr eines Tages auch unsere Sprache lernen.«
    Marie war sich im Moment nicht sicher, ob sie dies wirklich wollte, denn die Vorstellung, der Rest ihres Lebens könnte sich in dieser Fremde abspielen, behagte ihr nicht.
»Nun werde ich Euch Eure Gemächer für die Nacht zeigen«, fuhr Gwenllian indessen fort. »Ihr könnt Euch bis zum Abendmahl ausruhen. Eure Hochzeit feiern wir am nächsten Tag. Nach den Feierlichkeiten reist Ihr mit Prinz Cadell auf seine Burg.«
    Marie meinte, eine unsichtbare Hand an ihrer Kehle zu spüren, die ihr die Luft zum Atmen nahm.
     
    Hawisa half ihr beim Ankleiden, was nun zu ihren Aufgaben gehörte. Marie schlüpfte in eine Chemise aus schneeweißer Seide, die Aliénor ihr vor der Abreise geschenkt hatte. Darüber kam der mit Blüten gemusterte Bliaut aus Damast. Auch ein perlenbesetzter Reif für ihren Kopf und ein hauchdünner Schleier waren ihr mitgegeben worden. Als königliche Nichte sollte sie Eindruck machen.
    »Ich habe noch einen Beutel mit Schminktöpfen und jenen Duftwässern dabei, die Königin Aliénor vom Kreuzzug mitbrachte«, sagte Hawisa, als Marie unruhig in der Kammer herumzulaufen begann. Hier hatte sie zumindest einen winzigen Raum ganz für sich und ihre Dienerin. Es war eine seltene Wohltat, sich für eine Weile unbeobachtet zu wissen.
    »Solchen Unsinn brauche ich doch nicht!«, erwiderte sie unwirsch. Es gefiel ihr nicht, lange still sitzen zu müssen, während an ihrem Äußeren herumgezupft wurde. Woher hatte Aliénor die Geduld genommen, sich Abend für Abend ausstaffieren zu lassen? Aber Aliénor war nun weit weg. »Diese Gwenllian sah aus wie eine wohlgenährte Bürgersfrau, die sich einen Bronzereif leisten kann«, fügte Marie hinzu.
    »Aber Ihr seid die Nichte des Königs von England«, mahnte Hawisa.
    »Ja, so eine wichtige und heißgeliebte Nichte, dass ich in die Fremde abgeschoben wurde!«, rief Marie bitter.

    »Aber dies ist das Schicksal der meisten höfischen Damen, Madam«, beharrte Hawisa. »Sie werden von ihrem Vater oder Bruder verheiratet, wodurch er gute Beziehungen zu anderen hohen Herren knüpft und Verbündete gewinnt. Ihr seid nicht die Erste, der es so ergeht.«
    Marie zuckte zusammen.
    »Spar dir deine klugen Worte, solche Belehrungen habe ich schon zur Genüge gehört!«, zischte sie. Wie von selbst kam der Eisenspiegel, ein Abschiedsgeschenk Torqueris, in ihre Hand und flog in Richtung ihrer Dienerin, die rechtzeitig zur Seite sprang. So prallte der Spiegel gegen steinernes Gemäuer, um gleich darauf auf dem Boden aufzuschlagen. Marie musterte ihn verblüfft, wunderte sich im ersten Augenblick nur, dass er nicht zerbrochen war.
    »Lass deinen Zorn nicht an mir aus, Marie«, raunte Hawisa. »Meinst du, ich habe England gerne verlassen? Kaum ein Mensch kann in dieser Welt so leben, wie es ihm gefällt. Gottes Wille, sagen die Priester. Doch Gottes Wille scheint meist genau das zu sein, was die irdischen Herren dieser Welt sich wünschen.«
    Marie schwieg betreten. Dieser Anfall von Zorn war wie ein Dämon gewesen, der sie überfallen und seinem Willen unterworfen hatte. Aliénor hatte Henris Tobsuchtanfälle erwähnt. Gab es mehr Gemeinsamkeiten zwischen ihr und dem Onkel als ähnliche Gesichtszüge?
    Hawisa hob den Spiegel auf, dann strich sie verlegen über ihren Kittel.
    »Ich bedauere, wie ich mit Euch gesprochen habe, Madam«, sagte sie.
    Ungewollt musste Marie lächeln. Hawisa war eine miserable Heuchlerin. Trotz der demütigen Worte vermochte sie den Trotz nicht aus ihrer Stimme zu verbannen.
    »Ich werde dir vergeben, aber unter einer Bedingung. Nenne
mich weiterhin Marie, lass das Madam und sage mir in Zukunft immer deine Meinung, wenn du es für nötig hältst.«
    Hawisa musterte sie

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