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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ungläubig, dann grinste sie.
    »Gut, das verspreche ich. Und jetzt setze dich hin, damit ich sehen kann, was die Schminktöpfe hergeben.«
    Sie drückte Marie auf den Stuhl, überreichte ihr den geretteten Spiegel und begann, den Inhalt ihres Beutels auszupacken.
    »Begreifst du denn nicht, wie wichtig es für dich, ja für uns beide ist, dass du etwas hermachst?«, sagte Hawisa. »Solange dein Gemahl und seine Familie die Nichte eines mächtigen Herrschers in dir sehen, wirst du mit Achtung behandelt, um ihn nicht zu verärgern. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, du wärest nur das Ergebnis der Schwäche von Henris Bruder für eine Küchenmagd, das irgendwo versorgt werden musste.«
    Marie ergab sich ihrem Schicksal, ließ Hawisa ihre Wangen röten und schmierte bereitwillig eine Paste auf ihre Lippen, auch wenn es ihrer Meinung nach aussah, als habe sie sich versehentlich gebissen und Blut bedecke ihren Mund.
    Schließlich kitzelte jener süße Duft in ihrer Nase, den sie bei ihrer ersten Begegnung mit Aliénor bereits gerochen hatte.
    »Wo isst du eigentlich zu Abend?«, fragte sie Hawisa.
    Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Irgendwo mit den anderen Bediensteten, denke ich.«
    Da ergriff Marie Hawisas Handgelenk.
    »Du bist mit mir im Wagen angekommen. Das macht dich zu meiner Gefolgsdame. Hast du die Kleider mitgebracht, die ich dir damals in Windsor schenkte?«
    Hawisa nickte.
    »Gut, dann ziehe jetzt eines davon an. Du wirst an meiner Seite sitzen.«

    »Madam … Ich meine Marie … Das geht nicht. Ich gehöre zum Gesinde.«
    »Das war in England so, aber hier weiß das niemand«, beharrte Marie. »Du bist mit mir aus dem Wagen gestiegen. Die Gemahlin des Prinzen Rhys sprach dich an, während sie mich keines Wortes würdigte.«
    »Sie dachte eben, dass du kein Englisch verstehst.«
    »Das stimmt, aber es ist egal. Mit einem Mädchen aus dem Gesinde hätte sie anders geredet. Du hast ein kluges Köpfchen und kannst sogar lesen. Komm mit mir, Hawisa. Ich will nicht allein unter all diesen Fremden sitzen.«
    »Aber der Chevalier Guy de Osteilli …«, setzte Hawisa abermals an.
    »Er wird am anderen Ende der Tafel bei all den Rittern sitzen«, fiel Marie ihr ins Wort. »Bitte, Hawisa, ich bin dankbar für jedes vertraute Gesicht in meiner Nähe.«
    Die Dienstmagd nagte an ihrer Unterlippe, doch schließlich nickte sie.
     
    Der Saal war weitaus kleiner als in Chinon oder Westminster, doch bot er genug Platz für alle Anwesenden. Fackeln an den Wänden erhellten nacktes, steinernes Gemäuer, prächtige Wandteppiche gab es nicht. Vermutlich hatte niemand hier von geruchsfreien Öllampen gehört. In den Wasserschüsseln zum Reinigen der Finger schwammen keine Rosenblätter, was Aliénor für unerlässlich hielt. Aber trotz aller Einfachheit ihrer Umgebung wirkte die versammelte Gesellschaft heiter und zufrieden. Geplauder und lautes Lachen schwirrten um Maries Ohren, doch verstand sie kaum ein Wort. Vielleicht wäre es doch keine schlechte Idee, die walisische Sprache zu lernen, überlegte sie, während sie in einen Hähnchenschenkel biss. Zum Trinken gab es Bier anstelle von französischem Wein, doch es schmeckte unerwartet gut.
    Am Kopf der Tafel saß der Prinz Rhys ap Gruffydd. Er wirkte weniger wild in dieser Umgebung, vielleicht, weil hier fast alle Männer wallende Haarmähnen und Bärte hatten. Marie staunte über das glänzende Schwarz seines Haars. Es war völlig frei von grauen Strähnen, obwohl sich bereits Falten in sein Gesicht gegraben hatten. Das scharf geschnittene Profil des Walisers mit der markant geschwungenen Nase erinnerte Marie an einen Raubvogel.
    Gwenllian ferch Madog trug ein grünes Gewand mit Stickereien an Ärmel und Kragen, doch waren diese von sehr einfacher Art, sodass Marie wieder an eine herausgeputzte Bürgersfrau denken musste. In Falten geworfene Bliauts mit wallenden Ärmeln kannte man hier wohl nicht. Um ihren Hals hing eine Kette aus Bernstein, deren klobige Form Aliénor vermutlich nur ein müdes Lächeln entlockt hätte. Sie hatte ein weißes Gebände um ihren Kopf gewickelt und zerrte ständig daran, da sie es offenbar nicht gewöhnt war, derart eingeengt zu sein. Der bronzene Reif war geblieben, aber ihr Schleier bestand ebenfalls aus schlichtem, braunem Tuch. Mit lauter Stimme mischte sie sich immer wieder ins Gespräch und lachte ebenso grölend wie die Männer, wenn ihr der Sinn danach stand. Ihre Hände waren breit und mit rauer, von roten Flecken

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