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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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unaufgefordert. »Manchmal helfen Zuneigung und Geduld.«
    Marie senkte den Blick. Sie verstand, ohne weiter nachfragen zu müssen.
    »Ich habe nicht die Kraft dazu«, gestand sie leise. »Ich … ich hasse ihn, weil er mich quält.«
    Der Priester von Huguet hätte ihr nun einen Vortrag über Demut und Nächstenliebe gehalten. Sie war der verwahrlosten Alten dankbar, weil sie ihr dies ersparte.
    »Dein Gemahl trinkt, um seinen Schmerz zu betäuben«, fuhr die Heilerin stattdessen fort. »Doch dadurch wird er zornig und unbeherrscht. Ich kann dir Mittel geben, die sein Leid lindern, ihn aber auch entspannen und schläfrig machen. Ist es das, was du von mir willst?«
    »Ja, das will ich. Hilf mir, Ruhe vor ihm zu haben, und ich werde dich entlohnen.«
    Marie dachte an das perlenbesetzte Diadem und ihre höfischen Gewänder, obwohl ihr nicht klar war, was Angharad ferch Davydd damit anfangen würde.
    »Deinen Lohn brauche ich nicht«, erwiderte die Heilerin. »Es gibt viele Frauen, die mit solchen Wünschen zu mir kommen, und ich bin froh, ihnen geben zu können, wonach sie sich sehnen.«
    Marie fühlte ihre Wangen vor Scham brennen. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie auf die schmutzige Alte herabgesehen.
    »Es ist sehr großmütig von dir, wenn du mir ohne jede Forderung helfen willst.«
    Angharad schüttelte den Kopf.
    »Ich liebe nicht jeden Menschen, wie es der Herr Jesus fordert«, sagte sie und lächelte. »Aber ich weiß, dass du den Weg zur Quelle gefunden hast. Sie ist ein altes Heiligtum der Göttin Morrigan.«

    Marie fröstelte. Dies war heidnisches Gerede.
    »Ich kenne diese Göttin nicht«, erwiderte sie entschieden.
    »Aber trotzdem hörtest du ihre Stimme. Das ist merkwürdig, denn du bist eine Fremde, eine Normannin. Aber Morrigan hat dich gerufen. Meine Freunde erzählten es mir. Sie haben dich an der Quelle gesehen.«
    Marie wurde leicht schwindelig. Die alte Frau schien verwirrt oder war von bösen Geistern besessen. Trotzdem brachte sie es nicht fertig, die Besucherin fortzuschicken.
    »Der Ort mit der Quelle gefiel mir, deshalb machte ich dort halt«, sagte sie so gefasst wie möglich. »Von deiner Göttin weiß ich nichts und will auch nichts von ihr wissen. Es ist sündhaft und verboten, andere Götter als unseren Herrn zu verehren.«
    Kaum waren diese Worte ausgesprochen, kamen sie ihr herablassend und dümmlich vor, ähnlich wie das Gerede des Pfarrers von Huguet. Es hatte eine Zeit gegeben, da diese merkwürdige Heilerin ihre Neugier geweckt hätte. War tatsächlich ihr ganzer Mut dahin, wie Hawisa ihr immer wieder vorwarf? Sie überlegte eine Weile, bevor sie erneut zu reden begann: »Ich wuchs bei einem Mann auf, der aus der Bretagne stammte. Er erzählte mir Geschichten über Feen und Geister. Vermutlich waren sie alt, älter noch als der christliche Glaube. Die Quelle zwischen den Bäumen erinnerte mich an seine Erzählungen, sie schien ein Ort, an dem sie lebendig werden konnten. Doch von deiner Göttin habe ich noch niemals gehört.«
    Angharad ferch Davydd schien weder enttäuscht noch wütend. Sie nickte nur.
    »Selbst wenn du den alten Glauben ablehnst, so trägst du ihn in dir. Sonst hättest du den Zauber der Quelle nicht gespürt. Du bist eine normannische Dame und scheinst mir eine kluge Frau. Sorge dafür, dass nicht alles, was den Menschen
einmal wichtig war, vergessen wird. Das ist meine Bitte an dich. Und morgen gebe ich deiner Dienerin den Trank.«
    Sie wandte sich um und verließ das Gemach, ohne Abschied zu nehmen. Als die Tür wieder zufiel, wusste Marie nicht mehr, ob sie diese seltsame Begegnung nur geträumt hatte. Angharad ferch Davydd war selbst wie die Gestalt aus einer alten Sage gewesen.
    »Es tut mit leid, ich wusste es nicht«, riss Hawisas Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Was wusstest du nicht?«
    »Nun, die Heilerin scheint dem heidnischen Glauben anzuhängen. Ich habe Geschichten gehört, dass es hier noch solche Leute gibt. Manchmal heißt es, sie stünden im Dienste Satans, doch nicht jeder denkt so schlecht von ihnen. Der Kapellan hier in der Burg hält es nicht für nötig, gegen sie vorzugehen.«
    Marie staunte, in dieser verlassenen Gegend von einem Kirchenmann zu hören, der ihr klüger schien als der eifernde Pfaffe von Huguet. Die Alte hatte nicht boshaft oder gar teuflisch gewirkt, nur eigenartig.
    »Und was glaubst du?«, fragte sie. »Wäre es eine Sünde, die Hilfe dieser Heilerin anzunehmen?«
    Hawisa zuckte verlegen mit den

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