Die Dichterin von Aquitanien
König reden und sich dafür einsetzen, dass die Mörder Eures Neffen bestraft werden?«, fragte sie ihren Gemahl.
Cadell musterte sie aus verquollenen Augen.
»Es würde mehr Wirkung haben, wenn seine Tochter es tut«, erwiderte er. Marie musste ihm innerlich zustimmen, doch zweifelte sie an Rosamonds Bereitschaft, sich in politische Angelegenheiten zu mischen.
»Vielleicht würde diese Rosamond es tun, wenn ihr Vater ihr ins Gewissen redet«, warf sie vorsichtig ein. Cadell stieß ein Brummen aus, das sowohl Zustimmung als auch Widerspruch hätte sein können. Dann nahm er einen weiteren Schluck Bier.
»Nicht zu fassen, mein tapferer, aufrechter Bruder bittet die Hure des Normannenkönigs, ein gutes Wort für ihn einzulegen!«, prustete er kurz darauf in seinen Becher, bevor er ihn wieder abstellte und sich den Mund abwischte.
Marie zuckte unter dem Wort »Hure« zusammen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass der blondgelockte Engel Henri gefiel, aber im Vergleich zu Aliénor war Walter de Cliffords Tochter nur ein niedliches, unreifes Küken. Wie sollte sie der stolzen Adlerin von Aquitanien den Platz im Herzen eines Mannes streitig machen können?
»Vielleicht ist Rosamond de Clifford gar nicht die Geliebte des Königs«, widersprach sie vorsichtig. »Sie schien ein sehr gottesfürchtiges Mädchen zu sein, wollte als Geschenk nur eine Reliquie. Und was die Pläne Eures Bruders betrifft, so wäre es doch sehr begrüßenswert, wenn neue Kämpfe zwischen Normannen und Walisern vermieden werden könnten.«
Sie wollte nicht darauf hinweisen, in welch unangenehmer Lage sie selbst sich dann befände. Cadell hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Marie
wusste nicht, ob er ihr überhaupt zugehört hatte, doch störte sie sich nicht daran. Wenn er jetzt bald einschlief, war sie von der Verpflichtung erlöst, vorher seinen Wurm zu streicheln.
»Wenn dein königlicher Onkel sich dieses kleine Röslein nicht ins Bett holt, dann ist ihm wirklich nicht zu helfen«, murmelte in diesem Moment Cadell. »Die ist grün hinter den Ohren, aber sie wartet nur darauf, endlich von einem Kerl zu kriegen, was sie braucht.«
Marie dachte an den leeren Blick des Mädchens. Nur wenn es um mächtige Männer ging, hatte etwas Leben in den veilchenblauen Augen geflackert. War es möglich, dass Cadell mit seinen derben Worten die Wahrheit ausgedrückt hatte?
»Verdammt«, raunte ihr Gemahl weiter. »Warum konnte ich nicht einmal im Leben Glück haben und eine Normannin wie Walter de Cliffords Gör zum Weib bekommen? Der hätte ich ihre magere Mitgift verziehen, so ein weicher, frischer Körper ist Gold wert.«
Marie zuckte zusammen. Cadells Worte hatten die Kruste von einigen Wunden gerissen, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Sie erinnerte sich an den kurzen, abfälligen Blick der schönen Rosamond. Plötzlich tat er noch mehr weh.
»Walter de Clifford weiß, was seine kleine Rose wert ist, mein Herr Cadell«, sprudelte es aus ihr heraus. »Würde er sie einem Waliser zum Weib geben, dann müsste der ein Mann von Macht und Ansehen sein.« Sie verstummte für einen Moment, ließ die Worte auf ihrer Zunge kreisen, um sie schließlich deutlich und mit Genuss auszusprechen: »Ein Mann wie Euer Bruder Rhys, der könnte eine Rosamond de Clifford vielleicht bekommen, wenn er nicht schon eine Frau hätte. Aber Ihr niemals.«
Dann saß sie völlig still, befreit von einer Last, die viel zu lange auf ihren Schultern geruht hatte. Cadell fuhr hoch. Nun war er hellwach und glich einem fassungslosen kleinen Jungen, der unerwartet geohrfeigt worden war. Marie fühlte sich fast schuldig, einen kranken Mann derart verletzt zu haben, doch dann sah sie, wie der blanke Hass in den Augen ihres Gemahls zu lodern begann, und panische Angst beendete den kurzen Augenblick des Triumphes, sich für zahllose Kränkungen gerächt zu haben. Sie sprang auf und rannte zur Tür.
»Du Miststück!«, hörte sie Cadell schreien. »Du dreckige normannische Hure! Ich werde dir dein Maul stopfen!«
Sie wurde an den Haaren gepackt und gegen die Wand geschleudert. Der Schmerz durchbohrte ihren Körper wie zahllose Messer. Als sie sich aufrappelte und nochmals zur Tür eilen wollte, brachten Cadells Tritte sie erneut zu Fall. Beim Aufprall auf den Boden setzte ihr Atem kurz aus und ihr Rücken schmerzte so stark, dass sie fürchtete, nicht mehr aufstehen zu können. Cadell unterband alle derartigen Versuche, indem er neben ihr in die
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