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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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vorzutragen, sah Marie die schöne Tochter des Burgherrn kurz aufblicken. Ihre Augen waren veilchenblau, doch schien
ihr Ausdruck so stumpf, dass Marie sich fragte, ob nicht auch Schönheit ihren Preis hatte. Emma hatte durch stete Unzufriedenheit für ihre äußeren Reize büßen müssen. Diesem zauberhaften Wesen mangelte es vielleicht einfach an Geist.
    »Ich bin dankbar für Eure Gastfreundschaft, mein Herr de Clifford«, begann der Prinz von Deheubarth. »Es ist mir eine Ehre, von Euch mit solcher Großzügigkeit empfangen zu werden.«
    Walter de Clifford lächelte zufrieden. Seine Kinder schienen die Worte des Walisers für recht unwichtig zu halten, denn sie aßen und scherzten unbeirrt weiter. Nur die blonde Schönheit musterte Rhys aufmerksam.
    »Doch bitte ich Euch im Namen der Freundschaft, die uns nun verbindet, mir einen Gefallen zu erweisen«, redete Rhys ap Gruffydd weiter. Das zufriedene Strahlen des Burgherrn wurde etwas blasser. Eine Weile blieb es auffällig still. Marie legte ihre angeknabberte Brotscheibe wieder auf den Tisch und fragte sich, was wohl das angeblich so wichtige Anliegen ihres Schwagers sein mochte.
    »Mein Neffe Einion ab Anarawd ist das Opfer eines hinterhältigen Mordanschlags geworden. Fünf Männer lauerten ihm auf, als er nach einem Jagdausflug nach Dinefwr zurückkehren wollte. Sein Gefolge hatte er abgehängt, sodass jede Hilfe zu spät kam, doch konnten seine Männer einen der Mörder stellen und zum Reden bringen. So erfuhren wir, dass mein Nachbar, der normannische Lord Roger de Clare, hinter dem Anschlag stand.«
    Betretenes Schweigen lastete jetzt über dem Saal. Marie sah Cadell kurz den Blick senken und empfand wieder einen jener seltenen Momente des Mitgefühls. Auf ähnliche Weise war auch er einst zu einem hässlichen Schatten seiner selbst gemacht worden.
    »Der Tod Eures Neffen ist in der Tat sehr bedauerlich,
mein Prinz«, begann der Burgherr mit einer Freundlichkeit, die nun etwas bemüht klang. »Aber habt Ihr denn Beweise für eine derartig ungeheuerliche Anschuldigung?«
    »Ich sagte doch bereits, dass einer der Mörder gestanden hat«, fuhr Rhys ap Gruffydd fort. »Die anderen vier Männer befinden sich in der Obhut Roger de Clares, der sich weigert, sie mir auszuliefern.«
    Getuschel erklang. Selbst den Söhnen des Burgherrn schien die Unterhaltung nun offenbar spannend genug, denn sie lauschten gebannt, anstatt weiter herumzualbern. Ihre Schwestern hielten brav den Blick gesenkt, da es sich um eine Angelegenheit handelte, die ausschließlich Männer betraf.
    Walter de Clifford räusperte sich. »Ich verstehe Euren Unmut, mein Prinz. Doch welche Art der Unterstützung erwartet Ihr von mir? Roger de Clare mag Normanne sein wie ich, aber er ist sehr starrköpfig und wird nicht willens sein, meine Einmischung zu dulden.«
    Die Worte klangen ehrlich. Walter de Clifford schien kein Mann, der Auseinandersetzungen suchte. Prinz Rhys ballte seine Hände zu Fäusten. Marie sah, wie Gwenllian ihn mit Blicken ermahnte, die Ruhe zu bewahren, ganz gleich wie das Gespräch mit dem alten Erzfeind verlief, nicht zu brüllen oder gar das Schwert zu ziehen.
    »Ich habe dem englischen König den Vasalleneid geleistet«, presste Rhys so gefasst wie möglich hervor. »Ich nahm es hin, dass viele Teile unseres Landes nun der Besitz normannischer Fürsten sind, war bereit, mit ihnen in Frieden zu leben. Doch als Vasall habe ich auch Anspruch auf gerechte Behandlung. Ich wünsche, dass Roger de Clare mir die Mörder meines Neffen ausliefert, damit sie ihre verdiente Strafe erhalten. Falls dies geschieht, so bin ich bereit, diesen Vorfall zu vergessen.«

    Marie nahm beeindruckt zur Kenntnis, wie klar und überzeugend ihr Schwager sein Anliegen vortrug. Die Gefolgschaft des Burgherrn tuschelte noch aufgebrachter. Nur Guy de Osteilli, der am anderen Ende der Tafel saß, verzog seinen Mund zu dem gewohnten, spöttischen Grinsen, um deutlich zu machen, was er von der Hoffnung auf gerechte Behandlung durch den englischen König hielt.
    Walter de Clifford seufzte.
    »Warum kommt Ihr deshalb zu mir, Prinz von Deheubarth? Wäre es nicht ratsamer, einen Boten an den Hof des Königs zu schicken?«
    Rhys lachte zornig auf.
    »Mein Bote kehrte bereits vor über einem Monat zurück, und seitdem warte ich auf eine Antwort des Königs.«
    »Auch das ist beklagenswert, doch mag es Gründe dafür geben. Der König ist Herrscher über viele Ländereien und daher erreichen ihn auch viele

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