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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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beschloss, Vater Brian beim nächsten Besuch um weiteres Schreibmaterial zu bitten. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, konnte sie die bereits vollendete Erzählung von der Dame und ihrem geflügelten Geliebten durchlesen, denn vielleicht gab es daran noch etwas zu verbessern. Entschlossen eilte sie zu ihrer Truhe, ließ ihre Hände zwischen weiche Stoffe fahren, um nach ihrem wichtigsten Besitz zu greifen, doch ohne Erfolg. Sie stieß einen
Fluch aus und musste kichern, da es nun endlich wieder etwas gab, das sie beichten konnte. Dann begann sie, die Truhe auszuräumen. Die Blätter mussten zwischen eines ihrer Gewänder gerutscht sein, eine andere Erklärung gab es nicht. Sorgsam schüttelte sie ein Kleidungsstück nach dem anderen aus, um es dann neben der Truhe auf den Boden fallen zu lassen. Schließlich blickte sie nur noch in gähnende Leere. Marie hörte das Pochen ihres Herzens, riss nochmals alle ihre Gewänder hoch, um sie sorgsam abzutasten. Schließlich zerrte sie wutentbrannt an ihnen, hörte ein paar Nähte reißen, doch sie gaben nicht preis, wonach sie suchte. Panisch schlug sie gegen das Holz der Truhe, sank dann in die Knie, um in lautes Schluchzen auszubrechen. Das war nicht möglich. Es konnte nicht sein. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und zwang sich, ruhig zu atmen. Bald schon wäre Hawisa hier, die ihr sicher eine Erklärung geben konnte, wohin die zwei Seiten Pergament verschwunden waren. Die Zeit schien stillzustehen. Draußen sangen Vögel, und Cleopatra krächzte. Dann hörte Marie endlich Schritte.
    »Hast du etwas aus meiner Truhe geholt, als ich … als ich krank war?«, bedrängte Marie ihre Zofe, sobald die Tür sich geöffnet hatte.
    Hawisa erstarrte für einen kurzen Moment, dann stellte sie das Brett mit dem Morgenmahl auf dem Tisch ab. Ihre Augen waren auf die Wände des Gemachs geheftet, als hätte sie Angst, Marie ins Gesicht zu blicken.
    »Wonach sollte ich denn in der Truhe suchen? Reg dich nicht auf, Marie. Iss lieber, damit du zu Kräften kommst.«
    »Es war etwas in meiner Truhe, das jetzt verschwunden ist«, beharrte Marie, während sie eine Brühe löffelte. Hawisa reichte ihr ein Stück Brot und füllte den Becher mit Wasser, das sie mit Honig gesüßt hatte, um es schmackhafter zu machen.

    »Vielleicht hast du davon nur geträumt, als du verletzt warst. Hab Geduld. Es wird sich alles klären, glaub mir.«
    Marie schnaubte, dann legte sie entschlossen die Hände auf den Tisch.
    »Du weichst mir aus. Hier geht etwas vor, das mir niemand erzählt. Ich möchte mit Guy de Osteilli reden«, sagte sie. Zu ihrer Verwunderung nickte Hawisa mit einem breiten Lächeln und sah ihr zum ersten Mal an diesem Tag in die Augen, als sei sie über diesen unerwarteten Vorschlag erfreut.
    »Vielleicht wäre das eine gute Idee. Ich werde ihn bei nächster Gelegenheit zu dir bringen.«
     
    Zwei Tage später, erschien der Ritter in Maries Gemach, neigte zur Begrüßung den Kopf und ließ sich unaufgefordert auf einem Schemel nieder.
    »Ihr wolltet mich sehen.«
    Sein selbstsicheres Auftreten verwirrte sie ein wenig, denn es schien bei den wenig erfreulichen Umständen unangebracht. Mühsam kämpfte sie ihre Aufregung nieder, suchte nach den richtigen Worten.
    »Ich glaube, dass etwas aus meiner Truhe gestohlen wurde.«
    Guy legte den Kopf leicht schräg und lächelte belustigt.
    »Und was sollte dies gewesen sein?«
    »Ein … ein Schriftstück mit einem Gedicht, das man mir einst geschenkt hat.«
    Der Ritter riss ratlos die Augen auf.
    »Ein Schriftstück? In dieser Burg vermag wohl nur der Priester zu lesen. Zudem haben die Menschen in Wales zurzeit andere Dinge im Kopf, als in Truhen nach irgendwelchen Gedichten zu wühlen.«
    »Und weshalb sollten die Waliser nun zu beschäftigt sein, um sich in Diebe verwandeln zu können?«, bohrte sie nach.

    Guy de Osteilli beugte sich vor, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und stützte sein Kinn ab.
    »Es mag Euch unwichtig erscheinen, aber diesem Land steht ein Krieg bevor«, begann er mit Nachdruck. »Der König Henri hat, wie nicht anders zu erwarten, den Beschwerden des Prinzen Rhys keinerlei Beachtung geschenkt. Nun ist dem großen Herrn über Deheubarth und seiner energischen Gemahlin das schier Unmögliche gelungen. Die streitbaren walisischen Fürsten sind bis zu den Zähnen bewaffnet und vereint. Owein, Herr über Gwynedd, Iorwerth der Rote von Powys und natürlich unser alter Bekannter, Prinz Rhys, alle drei gemeinsam mit all

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