Die Dichterin von Aquitanien
Hocke ging und seine Knie auf ihren Bauch presste. Der Zorn hatte sein Gesicht in eine Teufelsfratze verwandelt. So also fühlten Sünder sich in der Hölle, dachte Marie, als Cadell mit der Faust auf ihren Mund einschlug und sie verzweifelt versuchte, rechtzeitig den Kopf wegzudrehen. Dann schossen Blitze durch ihren Schädel und entzündeten ein Feuer, bevor es endlich dunkel wurde.
Das Licht stach in ihre Augen. Marie ließ ihre Lider wieder zufallen, doch hatte der Schmerz sich in ihrem Kopf festgesetzt, um dann in weitere Teile ihres Körpers zu schleichen. Sie versuchte, ruhig zu atmen und sich nicht zu bewegen, denn jede Regung ihrer Muskeln tat weh.
»Das ist einfach unglaublich!«, rief Hawisa in ihrer Nähe.
Marie öffnete nochmals die Augen und entdeckte ihre Zofe nur ein Stück von ihr entfernt. Daneben nahm Marie zwei Schatten wahr.
»Sollte ich eines Tages einen Mann haben, der mich derart zurichtet, dann würden meine drei Brüder sich ihn vornehmen, und danach sähe er noch viel schlimmer aus als alle Frauen, die er je geschlagen hat«, fuhr Hawisa aufgebracht fort. »Sie ist die Nichte eines mächtigen Königs, aber offenbar gibt es niemanden, der einen Finger für sie krumm macht!«
Einer der Schatten räusperte sich. Der andere sackte ein wenig zusammen.
»Ich werde mit Cadell reden«, begann Vater Brian zaghaft. »Er muss begreifen, dass ein guter Christ sich nicht so verhalten darf.«
Hawisa lachte laut auf. Dann schien ihr bewusst zu werden, dass sie mit einem Diener Gottes sprach, denn sie verstummte sogleich.
»Ihr müsst vergeben, Hochwürden, aber Eure Ermahnungen haben bisher nicht viel Wirkung gezeigt«, erklärte sie trotzig.
»Vielleicht sollte jemand dem englischen König eine Nachricht schicken«, schlug der Priester nun vor. »Mir scheint, diese Ehe steht unter keinem guten Stern. Vielleicht wäre eine Trennung die beste Lösung. Für alle Beteiligten.«
Guy de Osteillis machte ein paar Schritte durch den Raum. Nun konnte Marie ihn in aller Klarheit sehen. Er fuhr sich mit der Hand durch die feinen Locken und runzelte die Stirn.
»Ich vermag recht gut zu lesen, aber mit dem Schreiben hapert es«, begann der Ritter. »Gibt es hier jemanden, der einen fehlerfreien Text verfassen könnte?«
Vater Brian blickte glücklich auf, als sähe er endlich eine Möglichkeit, sich nützlich zu zeigen.
»Einen Text in normannischem Französisch, der an den Königshof geschickt werden soll?«, präzisierte Guy, und der Priester senkte niedergeschlagen den Kopf. Eine Weile blieb es still. Marie fragte sich, warum niemand sich an sie selbst wandte. Und warum Guy de Osteilli einen Bittbrief an den König verfassen wollte, wenn er doch über alle Versuche, von Henri Gerechtigkeit zu erfahren, ansonsten nur spöttisch grinste. Aber ihr fehlte die Kraft, sich in dieses Gespräch zu mischen. Schließlich sah sie, wie Hawisa stolz das Kinn reckte.
»Ich kann lesen und schreiben. Auf Englisch und in der Sprache unserer Eroberer.«
Vater Brian riss entsetzt die Augen auf, als Guy de Osteilli die zarte Dienstmagd in seine Arme schloss und sie durch den Raum wirbelte.
»Das könnte die Rettung sein«, frohlockte er.
Mühsam setzte Marie sich auf.
»Was soll so ein Brief an den König denn nützen?«, stieß sie unter Mühen hervor, ehe ein Hustenanfall sie Blut auf die Wolldecke spucken ließ.
Drei mitleidige Augenpaare wandten sich ihr zu. Hawisa eilte herbei und tupfte mit einem Stück Leinen sanft über Maries Gesicht.
»Warte mit dem Reden besser noch eine Weile. Er hat dir zwei Zähne ausgeschlagen.«
»Regt Euch nicht auf«, stimmte der Ritter sogleich mit ein. »Ich müsst Euch ausruhen, um bald zu genesen.«
Marie wartete auf eine ähnliche Ermahnung von Vater Brian, der dabei sicher noch Gott ins Spiel brächte. Doch Hawisa kam dem Priester zuvor, indem sie ihr einen Becher reichte.
»Versuche, wenigstens etwas davon zu schlucken«, meinte sie. »Ich habe ein Schmerzmittel von Angharad ferch Davydd dazugemischt. Du musst jetzt viel schlafen, Marie. Das wird dir guttun.«
Marie nippte an dem Trank und staunte, wie viele schmerzempfindliche Stellen es in ihrem Mund gab. Sie sah in drei vertraute Gesichter, die sie voller Sorge betrachteten, und in dem Gefühl, nicht völlig allein auf der Welt zu sein, schloss sie die Augen. Mit jedem Atemzug, den sie tat, wurde der Schmerz ein klein wenig schwächer.
12. Kapitel
N ach ein paar Tagen vermochte Marie aufzustehen und sich
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