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Die Diebe von Freistaat

Die Diebe von Freistaat

Titel: Die Diebe von Freistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Tür mit dem Vordach gekommen. Draußen war alles in Ordnung.
    Doch drinnen war alles absolut, völlig und unerklärlich anders.
    Jarveena wollte laut aufschreien, mußte jedoch feststellen, daß ihr der Atem dazu nicht reichte. Eine ungeheure Schwere erfaßte ihre Muskeln, als versänken sie in dickem Leim. Selbst nur ein weiterer Schritt, das wußte sie, würde sie an den Rand der Erschöpfung bringen. So konzentrierte sie sich lediglich darauf, sich umzusehen - und wünschte fast sogleich, sie hätte es nicht getan.
    Alles hier war in stumpfes, graues Licht getaucht. Es zeigte ihr hohe Steinwände zu beiden Seiten, einen Steinplattenboden unter den Füßen, doch nichts über ihr, außer treibendem Nebel, der hin und wieder eine gespenstisch bleiche Farbe annahm wie Rosa, Hellblau oder den eklig phosphoreszierenden Glanz eines sterbenden Fisches. Vor ihr befand sich nichts als ein Tisch, ungeheuerlich, ja lächerlich lang, daß Platz für eine ganze Kompanie an ihm gewesen wäre.
    Ein Schauder wollte ihr über den Rücken rinnen, doch gelang durch die seltsame Lähmung, die sie erfaßt hatte, nicht einmal dies. Ein Schauder deshalb, weil das, was sie um sich sah, in jeder Beziehung zu den Beschreibungen paßte, die sie flüsternd vom Palast des Enas Yorl gehört hatte. Im ganzen Land gab es nur drei große Zauberer, die so mächtig waren, daß es sie nicht störte, wenn ihre wahren Namen überall genannt wurden. Einer war in Ranke, im Dienst des Hofes; der zweite und geschickteste in Ilsig; und der dritte fand sich aufgrund irgendeines Skandals mit dem bißchen ab, was in Freistatt für ihn zu holen war, und letzterer war Enas Yorl.
    Doch wie konnte er hier sein? Sein Palast befand sich an — oder, um genauer zu sein, unterhalb — der Prytanisstraße, wo im Südosten der Tempel straße der Stadtrand begann.
    Außer ...
    Der Gedanke schob sich in ihr Gedächtnis. Sie kämpfte dagegen an, doch vergebens. Jemand hatte ihr einmal erklärt:
    Außer, wenn er anderswo ist!
    Plötzlich war es, als schrumpfte der Tisch, und sein unendlich fernes Ende käme immer näher, und mit ihm ein thronähnlicher Lehnstuhl mit hohem Rücken, auf dem eine seltsame Gestalt saß. Sie trug einen ungemein weiten Umhang aus vielen Stofflagen und stumpfem Braun, und einen hohen Hut, dessen breite Krempe irgendwie das Gesicht beschattete, und das trotz des allgegenwärtigen grauen Lichtes hier.
    Aber in diesem Schatten glühten zwei rote Punkte wie Funken und zwar etwa dort, wo bei einem Menschen die Augen sein mußten.
    Die Gestalt hielt in der Rechten ein halb aufgerolltes Schriftstück, und mit der Linken trommelte sie auf den Tisch. Die Proportionen der Finger waren anormal, und einem oder zweien schienen entweder Glieder zu fehlen, oder sie hatten zu viele. Ein Nagel glitzerte auffällig, doch nicht lange.
    Die Gestalt hob den Kopf, wenn man es so nennen konnte, und sagte:
    »Ein Mädchen. Interessant! Aber eines, das—gelitten hat! War es eine Bestrafung?«
    Jarveena hatte das Gefühl, diese funkelnden roten Punkte konnten mit ihrem Blick nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihr Fleisch durchdringen. Sie konnte nicht sprechen, aber sie brauchte auch nichts zu sagen.
    »Nein!« beantwortete der Zauberer—es konnte kein anderer sein - seine eigene Frage. Er ließ das Schriftstück auf den Tisch fallen und es rollte sich von selbst zusammen, während er sich erhob und auf sie zukam. Eine Gebärde, die aussah, als fahre er ihre Umrisse in der Luft nach, befreite sie von der Schwere, die sie gelähmt hatte. Aber sie versuchte nicht zu fliehen, dazu war sie viel zu klug.
    Wohin auch?
    »Kennst du mich?«
    »Ich ...« Sie benetzte die trockenen Lippen. »Ich glaube, Ihr seid Enas Yorl.« »Ah, doch endlich Berühmtheit!« sagte der Zauberer trocken. »Weißt du, weshalb du hier bist?«
    »Ihr ... Nun, ich vermute, Ihr habt mir eine F alle gestellt, obgleich ich mir nicht denken kann, wieso, außer es hat etwas mit der Schriftrolle zu tun.«
    »Hmmm! Ein schlaues Kind!« Hätte er Brauen gehabt, müßte man nun annehmen, er hebe sie. Gleich darauf bat er: »Verzeih mir, ich hätte nicht >Kind< sagen sollen. Du bist alt an Erfahrung und Klugheit, wenn auch nicht an Jahren. Doch nach dem ersten Jahrhundert bedient man sich allzu leicht gönnerhafter Ausdrücke ...« Er setzte sich wieder auf seinen Lehnstuhl und bedeutete Jarveena mit einer Geste näherzukommen.
    Sie zögerte, denn als er sich erhoben hatte, um sie genauer zu betrachten, war

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