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Die Diebe von Freistaat

Die Diebe von Freistaat

Titel: Die Diebe von Freistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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er von gedrungener Gestalt gewesen. Jedenfalls hatte es so ausgesehen, als wäre er unter dem wallenden Umhang dick und fleischig und habe einen Bauch wie ein Bierfaß. Doch kaum saß er wieder, war offensichtlich, daß er dünn und feingliedrig war, und eine Schulter etwas höher trug als die andere.
    »Ah, du hast es bemerkt«, sagte er. Auch seine Stimme hatte sich verändert. War sie zuvor ein tiefer Bariton gewesen, so war sie nun im schmeichelhaftesten Fall ein hoher Tenor. »Opfer der Umstände, wir beide, ich ebenso wie du. Nicht ich habe dir diese Falle gestellt. Das hat das Schriftstück.«
    »Eine Falle für mich? Aber warum?«
    »Ich habe mich etwas unklar ausgedrückt. Die Falle wurde nicht für dich direkt gestellt, sondern für jemanden, für den sie den Tod eines anderen bedeuten würde. Ich nehme an, du bist geeignet, ob du es nun weißt oder nicht. Überleg mal! Laß der Phantasie freien Lauf! Hast du vielleicht jemanden erkannt, der erst vor kurzem in die Stadt kam?«
    Jarveena spürte, wie ihr Gesicht blutleer wurde. Sie ballte die Fäuste.
    »Herr, Ihr seid ein wahrhaft großer Zauberer. Ich erkannte heute nacht jemanden. Jemanden, den wiederzusehen ich nicht einmal träumte. Jemanden, den ich mit Freuden töten würde, nur daß der Tod viel zu gut für ihn ist!«
    »Erklär es mir.« Enas Yorl stützte einen Ellbogen auf den Tisch und das Kinn auf die Faust—nur, daß weder Ellbogen, Kinn noch Faust so waren, wie sie üblicherweise sein müßten.
    Jarveena zögerte kurz, dann ließ sie den Umhang von den Schultern fallen, riß die Schleife des Wamsverschlusses auf und zog die Verschnürung auf, daß das Wams sich weit öffnen ließ und die Narben, braun an braun, offenbarte, die nie verschwinden würden, genausowenig wie der große platte Hautlappen, wo ihre Brust hätte sein sollen.
    »Warum etwas vor einem Zauberer verbergen wollen!« sagte sie bitter. »Der Unhold befehligte die Männer, die mir das angetan haben und anderen, vielen anderen, noch weit Schlimmeres. Ich hielt sie für Banditen! Und kam nach Freistatt, in der Hoffnung, hier, wenn nirgend sonstwo, ihre Spur aufnehmen zu können — denn wie fänden Banditen Einlaß in Ranke oder den eroberten Städten? Doch nie hätte ich geträumt, ich würde sie in der Rüstung der kaiserlichen Leibgarde wiederfinden!«
    »Sie ...?« fragte Enas Yorl.
    »Ah ... Nein. Ich muß zugeben, ich könnte nur bei einem schwören, daß er es war!«
    »Wie alt warst du damals?«
    »Neun. Und sechs erwachsene Männer schändeten mich, ehe sie mit Drahtpeitschen auf mich einschlugen und mich liegenließen, weil sie mich für tot hielten.«
    »Ich verstehe.« Er griff wieder nach der Schriftrolle und tupfte abwesend damit auf die Tischplatte. »Kannst du nun ergründen, was auf dieser Rolle geschrieben steht? Bedenke, daß sie mich zwang hier zu sein!«
    »Zwang? Aber ich dachte ...«
    »Daß ich freiwillig, mit voller Absicht, hier bin? O ganz im Gegenteil.« Sein Lachen klang schrill und ätzend. »Ich sagte doch, daß wir beide Opfer sind. Vor langer Zeit, als ich noch sehr jung war, benahm ich mich entsetzlich töricht. Ich versuchte, jemandem, der viel mächtiger war als ich, die Braut wegzunehmen. Als er es erfuhr, konnte ich mich zwar gegen ihn wehren, aber ... Du weißt doch, was ein Zauber ist?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Er ist—Aktivität. Soviel Aktivität wie ein Stein Passivität ist, ich meine damit, daß er sich zwar bewußt ist, ein Stein zu sein, aber nichts anderes. Ein Wurm ist sich etwas mehr bewußt, ein Hund oder Pferd viel mehr, ein Mensch sehr, sehr viel mehr—aber nicht unendlich viel mehr. Waldbrände, Stürme, Sterne und so weiter tun etwas, völlig ohne eigenes Bewußtsein, das sich auf anderes auswirkt. Bei einem Zauber ist es etwas Ähnliches. Er entsteht durch einen Willensakt und hat keinen eigenen Zweck, kein eigenes Ziel, nur Zweck und Ziel, die sein Schöpfer ihm verleihen. Und mein Nebenbuhler bedachte mich mit einem Zauber, der ... Aber das spielt hier keine Rolle. Es klingt ja schon fast so, als bemitleide ich mich selbst, dabei weiß ich, daß ich an meinem Geschick selbst schuld bin. Und wir wollen doch nicht ungerecht sein! Dieses Schriftstück ist vielleicht ein Instrument der Gerechtigkeit. Es stehen zwei Urteile darauf...
    ... Todesurteile!«
    Während er sprach, hatten sich unter seinem weiten Umhang neue Veränderungen ergeben, außerdem war seine Stimme nun kräftig und klangvoll. Und seine jetzt

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