Die Diebe von Freistaat
— sind gegen Fehden von Göttern und ihren Priestern; denn sie erschüttern das allzu leicht ins Schwanken zu bringende Gleichgewicht des Schicksals. Unsere Arbeit ist wichtiger als die Besänftigung von Gottheiten, deshalb haben wir uns, wie schon manches Mal zuvor, eingeschaltet.«
»Aber der Tempel? Es hätte doch eine Jungfrau begraben werden müssen?« »Auf einen Homunkulus wären die rankanischen Götter aufmerksam geworden, nicht jedoch auf eine falsche Jungfrau. Als der Ilstempel errichtet wurde, wollten die alten Priester eine königliche Seele unter dem Altar einmauern und bestanden auf dem jüngsten und beliebtesten der Königssöhne. Nun war jedoch die Königin selbst eine Zauberin mit beachtlichen Kräften. Sie verlieh einem alten Sklaven das Aussehen ihres jüngsten Sohnes—und seine Gebeine ruhen noch immer unter dem Altar.«
»Dann sind die Götter von Ilsig und Ranke demnach gleichermaßen getäuscht worden und einander offenbar ebenbürtig.«
Der Vermummte lachte. »Wir haben dafür gesorgt, daß alle Götter in Freistatt gleichermaßen behindert sind, mein Kind.«
»Und was ist mit mir? Lythande warnte mich, ja nicht zu versagen!«
»Erklärte ich nicht gerade, daß unser Zweck erreicht ist und damit auch deiner? Du hast nicht versagt, und wir geben dir, was Marilla dir versprach: einen schwarzen Stahlamboß. Er gehört dir!«
Er legte eine Hand auf den Amboß und verschwand in einer Rauchschwade. »Lyra, ist alles in Ordnung? Ich habe dich mit jemandem reden gehört. Ich habe dieses Mädchen begraben, ehe ich dir nachkam.«
»Hier ist der Amboß!«
»Ich will nichts, das auf solche Weise mein wird!«
Er faßte sie am Arm und versuchte, sie aus dem Hof zu zerren.
Ich habe bereits zuviel bezahlt!« brüllte sie ihn an und entrang sich seinem Griff. »Bring ihn in den Basar—dann wollen wir vergessen, wie wir zu ihm gekommen sind. Sprich nie ein Sterbenswörtchen zu irgend jemandem darüber. Aber laß den Amboß nicht hier, sonst ist alles umsonst!«
»Nie werde ich das Gesicht auf diesem toten Mädchen ... Wesen vergessen.« Illyra schwieg nun und starrte auf den auch hier schlammigen Boden. Dubro trat zu dem Amboß und wischte Wasser und Schmutz von seiner Oberfläche. »Jemand hat etwas eingraviert, das mich an eine deiner Karten erinnert. Sag mir zuerst, was es bedeutet, ehe ich ihn in den Basar bringe.«
Illyra stellte sich neben ihn und betrachtete den Amboß. In seine Oberfläche war sichtlich vor gar nicht langer Zeit ein lächelndes Antlitz des Chaos eingraviert worden.
»Es ist ein altes S’danzo-Zeichen für Glück.«
Dubro schien den falschen, bitteren Ton in ihrer Stimme nicht zu bemerken. Sein Vertrauen zu Illyra war auf die Probe gestellt, aber nicht erschüttert worden. Der Amboß war eine schwere Last auf seinen Armen.
»Von allein wird er wohl nicht zu uns nach Hause kommen«, meinte er und blickte Illyra an, als er sich auf den Weg machte.
Sie berührte das Podest und viele Fragen gingen ihr durch den Kopf. Am Tor rief Dubro ihr erneut zu. Der lange Rückweg lag vor ihnen, und es war schon fast Mitternacht. Ohne einen Blick zurück folgte sie Dubro aus dem Hof.
Jamie der Rote
Das Tor der fliegenden Messer
Poul Anderson
Obwohl wieder einmal mittellos, obdachlos und frauenlos, bahnte Cappen Varra sich stolzer Haltung einen Weg durch die drängelnde Menschenmenge im Basar. Immerhin war er vor einigen Wochen in den Haushalt Molin F ackelhalters aufgenommen worden und hatte bis heute, obgleich er nicht wirklich dazugehörte, seinen Teil beigetragen, so gut er es vermochte. Nicht nur, daß die geliebte, zauberhafte Danlis dort als Gesellschafterin Dienst leistete, auch war er vom Hausherrn, dem Priester und Baumeister, großzügig belohnt worden, wann immer er ein Lied sang oder ein eigenes Gedicht zum besten gab. Leider hatte diese erfreuliche Situation sich allzu plötzlich und auf erschreckende Weise geändert, aber er trug immer noch das leuchtend grüne Wams, den scharlachroten Umhang, das kanariengelbe, enge Beinkleid, die weichen, mit Silber verzierten Halbstiefel und das Barett mit der wippenden Feder. Obwohl sein Herz natürlich nach diesem Vorfall schwer war und voll Angst um seine Lieb ste, sah er bi sher keinen Grund, sich von dieser schmucken Gewandung zu trennen. Bestimmt konnte er auch auf andere Weise zu genügend Geld kommen, um sich während seiner Suche nach Danlis über Wasser zu halten. Wenn es unbedingt sein mußte, ließe sich auch— und
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