Die Diebe von Freistaat
Schultern. »Auf keinen Fall!«
»Jamie, laß uns vorbei! Ich kann das Tor schließen! Ich schwöre, daß ich es kann! Ich schwöre es bei - bei Eshi ...«
Einen langen Moment schienen Jamies Augen sich in Cappens zu bohren, erst dann sagte er: »Du bist mein Waffenbruder.« Er machte Platz. »Also, lauft!« Die Sickintair waren bereits so nah, daß Cappen das Klatschen ihrer Schwingen hörte. Er drängte Danlis zum Pergament. Sie hob den Rocksaum ein wenig, offenbarte ach so schlanke F esseln und trat hindurch. Dann zog er Rosanda am Handgelenk. Die Lady taumelte auf die Füße, vermochte jedoch offenbar die Richtung nicht zu finden. Also faßte Cappen ihren Arm und streckte ihn in die andere Welt, daß Danlis sie daran ziehen konnte, während er selbst die Dame hefig am wohlgerundeten Gesäß hinüberschob.
Dann folgte er ihr, und Jamie ihm.
Unter der Tempelkuppel hob Cappen das Rapier. Lauter war der Flügelschlag zu hören, als es die Stricke durchtrennte. Knisternd und zerknitternd fiel das Pergament herab. Cappen ließ die Waffe fallen, duckte sich und breitete die Arme weit aus, um die oberen Pergamentenden zu fassen. Er zog sie zu den noch befestigten unteren, um aus dem Pergamentstreifen einen geschlossenen Reifen zu machen.
Aus ihm erschallte Plumpsen und Scharren. Die Sickintair krochen in die Pergola. Für sie mußte das Tor noch unverändert scheinen, offen für ihre Verfolgung. Cappen drehte, das Ende, das er hielt, halb herum und legte die Enden wieder aneinander.
Auf diese Weise hatte er eine Oberfläche geschaffen, die nur eine Seite und eine Kante hatte, und dadurch konnte sie nicht mehr als Tor dienen.
Er war nicht sicher gewesen, was folgen würde. Flüchtig hatte er daran gedacht, das Pergament in seiner paradoxen Form hinauszuschmuggeln und schließlich so zusammenzukleben - außer, er konnte es verbrennen. Doch kaum hatte er es gedreht und derart zusammengefügt, war es einfach verschwunden. Enas Yorl erklärte ihm später, daß er die Existenz des Dings unmöglich gemacht hatte. Luft brauste herein, wo das Tor gewesen war, es knallte und pfiff und klang wie ein ihm unbekanntes Wort einer Zauberformel: Möbius-s-s-s-!
Nachdem sie sich aus dem Tempel gestohlen und ein Stück des Weges zurückgelegt hatten, machten die vier eine kleine Verschnaufpause, ehe sie sich zu Molins Haus begaben.
Das war in einer Sackgasse, die von der Allee abzweigte—einer ziemlich breiten, mit Ziegelpflaster und Blumenschalen, wo sich die Tempel von zwei kleineren, sanften Göttern befanden. Der Wind hatte sich gelegt, die Sterne funkelten hell, der Halbmond stand über den Dächern der Häuser im östlichen Stadtteil und warf seinen matten Silberschein darüber. In einiger Entfernung erhoffte sich ein Kater durch ein mißtönendes Ständchen Liebesglück.
Rosanda hatte ihr seelisches Gleichgewicht fast wiedergewonnen. Sie warf sich an Jamies Brust. »Mein Held«, rief sie mit schmelzender Stimme, »Ihr sollt reich belohnt werden! Schätze! Adelsstand! Alles!« Sie schmiegte sich an ihn. »Vor allem aber gehört Euch mein grenzenloser Dank ...«
Der Nordmann warf Cappen mit gehobener Braue einen schnellen Blick zu. Fast unmerklich schüttelte der Spielmann den Kopf. Jamie nickte bestätigend und befreite sich sanft. »Vorsicht, Mylady, es schadet Euch und Eurem feinen Gewand, wenn Ihr meinem blutigen und verschwitzten Kettenhemd zu nahe kommt.«
Selbst wenn man sie rettet, ist es nicht gut, mit den Gattinnen hoher Herren zu schäkern.
Cappen war im siebenten Himmel. Er durfte Danlis zum erstenmal auf die sanften Lippen küssen, dann ein zweites und drittes Mal. Sie ließ es sittsam über sich ergehen.
Danach löste auch sie sich von ihm. Der Mondschein verwandelte ihre klassische Schönheit in etwas Geheimnisvolles. »Cappen«, sagte sie, »ehe wir weitergehen, müssen wir etwas miteinander besprechen.«
Es fehlte nicht viel und er hätte sie mit offenem Mund angestarrt. »Was?«
Sie legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. »Das Dringendste zuerst. Sobald wir zurück in Molins Haus sind und ihn geweckt haben, wird es zur kopflosen Aufregung kommen, und etwas später wird eine Versammlung einberaumt werden und mich, als Frau, wird man davon ausschließen. Deshalb rate ich dir jetzt, was du sagen sollst. Nicht, daß ich Molin und den Prinzen für Dummköpfe halte, immerhin ist offensichtlich, was unternommen werden muß, zum größten Teil jedenfalls. Es muß jedoch schnell gehandelt werden,
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