Die Diener des Boesen
gekommen, Brians Stimme zu hören. Er hatte sich in seinem ganzen Eeben noch nie so betrogen gefühlt.
Brian hatte nie wieder angerufen.
Jetzt war auch Sarah fort, hinweggerafft von einem inoperablen Tumor, und Jamie wartete noch immer neben dem Telefon, um die Stimme seines Jungen zu hören.
Er trank einen weiteren Schluck Scotch und wägte den Grad seiner Trunkenheit ab. Wenn er am Morgen noch eine kleine Dosis zu sich nahm, um sich aufzupeppen, würde er vielleicht okay sein.
Nein. Nicht okay. Er würde nie wieder okay sein. Aber vielleicht war er dann in der Lage zu arbeiten.
Er stellte die Flasche wieder weg und zappte sich durch vier, fünf, sieben Kanäle. Überall lief dasselbe Programm. Es war immer dasselbe.
Alles war immer dasselbe.
Er dachte an seine Waffe.
Er dachte an die Flasche.
Er dachte an sein Kind.
Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer, die handschriftlich auf der Rückseite einer seiner Visitenkarten notiert war. Sie hatte schon so lange neben dem Telefon gelegen, dass sie von einer Staubschicht überzogen war.
Die Leitung war frei. Der Hörer am anderen Ende wurde bereits nach dem ersten Klingeln abgenommen, als hätte man nur auf seinen Anruf gewartet.
»Giles, äh, Rupert?«, sagte Jamie leise. »Es tut mir Leid. Ich weiß, es ist spät...«
»Ganz und gar nicht«, sagte der Brite überaus höflich. »Ich werde uns einfach eine Kanne Kaffee aufsetzen.«
Verschwunden ... aber nicht vergessen. Verschwunden ... aber nicht vergessen.
Als Buffy erwachte, liefen ihr Tränen übers Gesicht. Hatte sie wieder davon geträumt, auf der Straße zu sein?
Sie blieb reglos liegen und schloss fest ihre Augen, spürte den Schmerz, gab sich ihm noch einen kurzen Moment hin. Dann wischte sie entschlossen die Tränen fort. Wenn sie ehrlich zu sich war - und wenn sie in diesen letzten Monaten etwas gelernt hatte, dann Ehrlichkeit -, wusste sie, dass sie überhaupt nicht geträumt hatte.
Sie hoffte, dass die Tränen eine tief sitzende Wunde heilen, den Schmerz, den sie selbst beim Lächeln spürte, lindern würden.
Sie hatte so viele Freunde verloren. Ford. Kendra. Ms. Calendar.
Sie hatte ihre Liebe verloren. Angels Gesicht stand ihr deutlich vor Augen.
Selbst jetzt noch klammerte sich ihre Mom verzweifelt an den Glauben, dass Buffy irgendetwas getan haben musste, wodurch sie zur Auserwählten geworden war. Es war, als würde Joyce ihr irgendeinen Fehler vorwerfen - so als wäre sie dafür, dass sie damals, während ihres ersten Semesters in L.A. einen Lippenstift bei Macy's geklaut hatte, mit dem lebenslangen Kampf gegen die Mächte der Finsternis bestraft worden. Denn wenn man zur Jägerin wurde, weil man sich etwas zu Schulden hatte kommen lassen, konnte man vielleicht, so hoffte ihre Mutter, durch Wiedergutmachung seine Strafe reduzieren.
Was natürlich völliger Unsinn war.
Buffy wusste jetzt, dass manche Leute ihr Leben lang vom Bösen verschont blieben. Wer nicht viel erwartete, bekam, was er wollte: einen Ehepartner, einen guten Job, ein paar Kinder. Solche Leute kauften im Einkaufszentrum kleine Magnetplaketten, die sie an ihren Kühlschrank hefteten: Nimm dir Zeit, an den Blumen zu riechen. Küss den Koch.Wenn du an dich glaubst, kannst du alles erreichen. Vielleicht gingen sie zur Kirche oder betätigten sich künstlerisch wie Mrs. Calhoun zwei Türen weiter, die den halben Tag mit Malen-nach-Zahlen verbrachte. Sie war ungeheuer stolz auf die fertigen Bilder, aber im Grunde musste sie nicht mehr tun, als die vorgegebenen Flächen auf der Vorlage auszumalen. Sie musste nicht einmal entscheiden, welche Farben sie nehmen sollte. Sie wurden m kleinen, nummerierten Tuben gleich mitgeliefert.
Buffys Leben sah völlig anders aus. Da gab es keine vorgegebenen
Flächen, die nur auszufüllen waren.
Dann gab es noch Leute, deren Leben voller Glück war. Leute wie diese Künstlerin Mary Cassatt, die selbst eine sehr glückliche Mom gewesen sein musste, um all diese Bilder von Müttern und Kindern malen zu können. Buffy konnte sich geradezu vorstellen, wie sie ein pausbäckiges kleines Baby badete oder es sacht in den Schlaf wiegte.
Dann sah sie das Bild von Timmy Stagnatowski vor sich, wie er vor ihren Augen in einer Staubwolke explodierte.
Nein, es war kein Selbstmitleid, das Buffy dazu brachte, sich in den Schlaf zu weinen. Sie war die Jägerin, die Einzige in ihrer Generation, die zwischen den Mächten der Finsternis und dem Rest der Menschheit stand. Sie hatte das akzeptiert
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