Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Carolines Kanzlei steht im Internet. Ich warne sie vor.«
Ohne Sinn, Verstand und
Planung landete ein willkürliches Ensemble an Kleidung in ihrem Koffer:
Unterwäsche, ein warmer Pullover, das luftige Sommerkleid für festliche
Anlässe. Eva konnte sich nicht konzentrieren. Sie wusste nur, dass sie nicht
aufhören durfte zu packen. Frido beobachtete seine Frau kopfschüttelnd.
»Ich rufe den Hausarzt
an«, beschied er.
»Nur weil ich nicht mit
dir einer Meinung bin, bin ich noch lange nicht krank«, entgegnete Eva.
Es war nicht das erste
Mal, dass sie sich in den letzten Wochen über Erziehungsfragen in die Haare
bekamen. Ihre Teenager kosteten sie den letzten Nerv. Und die eheliche
Gelassenheit. Eva verstaute ihren Skianorak im Koffer.
Fridos Tonfall wurde
bissig: »Bist du sicher, dass du nicht doch ein Stück Deckenplatte auf den Kopf
bekommen hast?«
Eva schrie ihn an: »Wir
fahren. Jetzt. Heute. Wie geplant. Und in einer Woche bin ich wieder da.«
Bis dahin sollten sich
andere um neue Schlüssel kümmern, um Liebeskummer, den Bügelkorb und das
pünktliche Erscheinen in der Schule. Mit oder ohne Wollknäuel. Auf jeden Fall
aber ohne ihre Aufsicht.
7
»Bist du sicher, dass es
dir gut genug geht?«, erkundigte sich Caroline besorgt.
Punkt neun hatte sie
sich bei Eva eingefunden. Sie war die Erste auf ihrer Abholliste.
»Nach mir die
Sintflut«, kommentierte Eva mit einem Blick auf die Unordnung im Hause
Kerkhoff.
Die vier Kinder, ganz
schlechtes Gewissen, hatten im Spalier Aufstellung genommen. Selbst Lene war
gekommen, um sich von ihrer Mutter zu verabschieden.
»Vielleicht passiert
dir was, und dann mache ich mir mein ganzes Leben lang Vorwürfe«, murmelte sie.
»Das heißt nicht, dass ich nicht mehr sauer bin.«
Der Schock saß tief.
Nur bei Frido war die Botschaft des Himmels noch nicht angekommen. Er war
nirgendwo zu sehen.
»Sollen wir auf ihn
warten?«, fragte Caroline.
Eva wusste, dass sein
Nichterscheinen Gründe hatte. »Der telefoniert lieber Anwälte durch«,
antwortete sie.
»Die Liebe in den
Zeiten der Ehe ist bisweilen eine Herausforderung«, tröstete Caroline.
»Die Auszeit wird uns
guttun«, sagte Eva.
Caroline teilte die Hoffnung.
Noch mehr hoffte sie, dass Estelle inzwischen mit dem Ein-, Aus- und Umpacken
fertig war und sie zügig zu Judith weiterfahren konnten.
Ein gelungener Urlaub
beginnt mit der richtigen Begleitung, konnte man in jedem Reiseratgeber lesen.
Für Estelle begann er offenbar damit, so viele Gegenstände wie möglich aus
ihrem begehbaren Kleiderschrank an den Urlaubsort zu transferieren. Sie hatte zwei
Koffer dabei, in denen man gegebenenfalls auch Sumoringer schmuggeln konnte,
ein überdimensioniertes Beautycase, die Golfausrüstung und einen schneeweißen
Königspudel. Früher hatte ihr Mann Oskar einfach mit in die Firma genommen,
wenn Estelle mit den Dienstagsfrauen unterwegs war. Seit Schwiegertochter
Sabine in die Firmenführung eingestiegen war, ging das nicht mehr. Der
Machtkampf im Apothekenimperium tobte. Sabine führte einen radikalen
Verdrängungswettbewerb. Oskar war ihr erstes Opfer.
»Sie hat eine
Hundeallergie«, raunte Estelle Caroline zu. Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel
daran, dass sie unter schwerer Sabineallergie litt.
»Was hast du eigentlich
gegen sie?«, fragte Eva.
»Sie ist
fünfundzwanzig, hat einen Uniabschluss aus Harvard, ist charmant und witzig,
spricht fünf Sprachen und hat früher als Model gejobbt«, ereiferte sich
Estelle. Der Höhepunkt an Gemeinheit kam aber noch: »Wir tragen den gleichen
Nachnamen«, schimpfte sie.
Caroline begriff nicht,
was daran so schlimm sein sollte.
»Weißt du, wie man sie
nennt, um uns zu unterscheiden?«, fragte Estelle. »Die junge Frau Heinemann.«
Caroline verstand:
»Neben so jemandem zu stehen, lässt einen automatisch alt aussehen. In jedem
Sinne des Wortes.«
»Wir sind in einem
Alter, in der die Endlichkeit um die Ecke schaut«, sagte Eva.
Judith, die als Letzte
zustieg, teilte diese Einschätzung. Ihr Gepäck war leicht, die Stimmung am
Boden. Caroline war von ihrem Exmann Philipp einiges an autofahrerischer
Besserwisserei gewöhnt. Judith schlug alles. Der Motor brummte kaum, da krallte
Judith sich schon am Türgriff fest, als trainierte sie eine neue Yogaübung, bei
der es darum ging, jeden verfügbaren Muskel bis zum Äußersten anzuspannen. Ihre
Augäpfel sprangen nervös hin und her, um die Straße nach potenziellen Gefahren
abzusuchen. Ihre Mimik spiegelte Carolines
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