Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
Vom Netzwerk:
sie. Der Wind trug ihre Worte davon. Nur die Kühe vom
Nachbarn, die zu ihrer Linken unterwegs zur Weide waren, schenkten ihr kurz
Aufmerksamkeit. Eva fühlte sich, als wäre sie Patientin in einem
Lungensanatorium, wo man unter dicken Decken im Freien dahindämmerte und keine
andere Aufgabe hatte, als gute Luft einzuatmen. Während ihre Freundinnen Gegend
und Lage erkundeten, beobachtete sie Kikis Hühner beim Picken. Ein spannendes
Leben sah anders aus. Selbst Pilgern war abwechslungsreicher als zwei Stunden
Hühnerfernsehen. Sie konnte noch nicht einmal zu Hause anrufen. Im Laufe des
Vormittags waren die Akkus sämtlicher Geräte verendet. Eva hoffte, dass Frido
und die Kinder aus den Nachrichten erfahren würden, dass es kein Unwille,
sondern höhere Gewalt war, warum sie nichts mehr von sich hören ließ. Sie
bezweifelte, dass es jemanden interessierte. Als sie gestern Abend angerufen
hatte, um zu vermelden, dass sie angekommen waren, war keines der Kinder zu
Hause gewesen und Frido merkwürdig kurz angebunden. Jetzt war das Handy leer.
Ihr innerer Akku auch.
    Sie war froh, als Kiki
sie aus ihren düsteren Gedanken riss. An ihrer Seite lief ein hochgewachsener
Mann, von Wind und Wetter gegerbt, mit schlohweißem Haar. Er schleppte schwer
an einem Koffer.
    »Sie ahnen nicht, was
in Birkow los ist«, erzählte der Mann, den Kiki als Ole Jensen vorstellte. »Das
ganze Dorf ist am Aufräumen. Der Bruno und seine Handwerker sind im
Dauereinsatz, um alle Schäden aufzunehmen.«
    Opfer, so hörten sie,
habe es keine gegeben. Nur eine Kuh vom Möller hatte es getroffen. Und Eva.
    Der Unbekannte setzte
sein Gepäck ab. Zu Evas Verblüffung enthielt der Koffer ein portables,
kabelloses Röntgengerät auf Digitalbasis. Der Mann war Arzt und auf alle
Eventualitäten im freien Feld vorbereitet. Selbst ein mobiles Ultraschallgerät,
das Eva aus den Rettungswagen kannte, war vorhanden. Eva hatte sich
vorgenommen, aus jedem einzelnen Tag ihres Lebens ein Fest zu machen, und
verspürte nicht die geringste Lust, offiziell als leidend abgestempelt zu
werden.
    »Das ist doch nicht
nötig«, wehrte sie sich. »So ein Aufwand.«
    »Es ist besser, wenn
sich jemand deinen Knöchel anschaut«, meinte Kiki.
    »Das ist nichts. Das
spüre ich«, redete Eva sich raus. Es ging ihr nicht anders als anderen
Patienten: Sobald der Arzt auftauchte, verschwand der Schmerz wie von
Zauberhand.
    »Wenn etwas kaputt ist,
ist es besser, den Tatsachen ins Auge zu schauen«, sagte ausgerechnet Kiki,
amtierende Weltmeisterin im Runterspielen aller Probleme. Eva wollte nichts
lieber, als aufstehen und mit der Arbeit beginnen. Sie wollte sich nützlich
machen und fühlen. Es ging darum, Gemüsebeet und Garten anzulegen und den
Zimmern einen gemütlicheren Anstrich zu verleihen. Sturmtiefs, leckende Dächer
und kaputte Knöchel hatten in ihrer Vorstellung von einem gelungenen
Hilfseinsatz keinen Platz. Arztbesuche ebenso wenig. Schon bei der ersten
Berührung schossen Eva Tränen in die Augen. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ
sie die Untersuchung über sich ergehen. Wer weiß, vielleicht tat es weniger
weh, wenn sie sich nicht unablässig fragen musste, ob eine Sehne oder ein
Muskel gerissen war. Jede positive Diagnose würde den Heilungsprozess
beschleunigen. Eva wollte nicht stillgelegt werden. Sie wollte gemeinsam mit
ihren Freundinnen Kiki auf die Sprünge helfen. Vor allem aber wollte sie
wissen, wie Thomas Steiner hierherkam.
    »Wie nett, dass Sie
auch am Samstag kommen«, sagte Eva. Sie fühlte sich in jeder Hinsicht schuldig.
Sie wusste von ihren Kölner Patienten, wie schwer es war, einen Arzt zu einem
Hausbesuch zu bewegen. Wie oft waren Patienten mit Ferndiagnosen am Telefon
abgespeist worden, bevor sie in der Notaufnahme ihres Krankenhauses landeten.
    »Ich komme immer ins
Haus«, nuschelte Jensen. Und dann sagte er nichts mehr.
    »Er ist nicht gewöhnt,
dass seine Patienten mit ihm sprechen«, erklärte Kiki. »Normalerweise arbeitet
er auf einem Gestüt.«
    »Ein Pferdedoktor?«,
fragte Eva entsetzt. »Sie sind Tierarzt?«
    Jensen bestätigte: »Und
Taxateur. Ich gebe Ihnen gerne Tipps, wenn Sie wissen wollen, ob der Ankauf
eines Pferdes sich lohnt.«
    Er ließ
freundlicherweise offen, ob er sein Geld auf Eva setzen würde. Im Moment war
sie eher ein lahmer Gaul und unverkäuflich. Schicksalsergeben wartete sie auf
das fachkundige Urteil. Statt eine Diagnose abzugeben, zeigte Jensen ihr auf
dem Computer die gemachten Ultraschall- und

Weitere Kostenlose Bücher