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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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mit
einem Machoblick, der deutlich machte, woher der Ausdruck »Da lachen ja die
Hühner« herkam. Er war deutlich der Meinung, dass die Sonne jeden Tag nur für
ihn aufging.
    Estelle war einem
Prachtexemplar schon ganz nah. Auge in Auge stand sie mit dem gefiederten
Feind. Das Huhn verfiel in nackte Panik und sah aus, als würde es in Erwägung
ziehen, sofort tot umzufallen und sich als Abendessen anzudienen.
    »Zugriff«, brüllte
Judith.
    Estelle packte zu und
ins Leere. Auf der Terrasse erlitt Eva einen hysterischen Lachkrampf. Judith
konnte es verstehen. Vermutlich sahen sie bescheuert aus, so wie sie über den
Hof hetzten und versuchten, die Hühner erst in die Ecke und dann ins sichere
Gehege zu treiben. Die dummen Hühner hatten keine Ahnung, dass ihnen
nächtlicher Besuch in Form von Marder oder Fuchs blühte, wenn sie sich nicht
kooperativ zeigten. Judith probierte es noch einmal. Langsam rangehen, gut
zureden, dem Huhn klarmachen, dass es keine Gefahr lief, im Suppentopf zu
landen. Mitten in der Attacke rutschte sie aus, landete im Mist und fragte sich
zum ersten Mal seit Jahren, ob sie nicht wieder dazu übergehen sollte, Fleisch
zu essen. Zum Beispiel Hühnerschenkel.
    »So läuft das jeden Tag
bei mir zu Hause«, rief Eva. »Aufgeschreckte Hühner sind wie Teenager. Du hast
das Beste mit ihnen vor und sie rennen in ihr Unglück.«
    »Geht es mit ein
bisschen mehr feinmotorischer Finesse?«, ermahnte Caroline die Freundinnen.
»Ihr macht viel zu viel Wirbel.«
    Judith schlug eine neue
Taktik vor: »Du musst dich in die Lage des Huhns versetzen. Nicht
hinterherlaufen, sondern vorausschauen. Du musst ahnen, wo es hinwill, und dort
ruhig warten.«
    Estelle spann den
Gedanken weiter und streute wie einst Hänsel und Gretel die Minipellets, mit
denen Kiki ihre Hühner ernährte, in einer verlockenden Spur bis zur Tür des
Schuppens. Dahinter stand Caroline, bereit zuzupacken. Die Hühnerdamen waren
ebenso hungrig wie misstrauisch. Auf den Trick fiel nur einer rein. Elvis. Der
Leckerbissen ließ ihn seine männlichen Aufgaben vergessen.
    Bei den Hennen half nur
Teamarbeit. Caroline und Judith packten zwei herumliegende Zaunpfähle, spannten
zwischen ihnen ein Moskitonetz und trieben damit die Hühner in ihr Gehege
zurück. Zwei Jäger, ein Fänger und eine Eva, die sich köstlich amüsierte.
Freudig begrüßte der Hahn seine Hennen. Endlich konnte Elvis wieder das tun,
worin er am besten war. Seiner Männlichkeit freien Lauf lassen und seine Damen
beglücken, bis sie vor Hühnerseligkeit umfielen.
    Applaus erklang. Der
kam von Schwarzer. Neben ihm stand Kiki mit düsterer Miene. Die gute Laune war
sofort dahin. Judith ahnte es genauso wie die Freundinnen: Es gab schlechte
Nachrichten.

22
    »Oh, oh, oh, oh«, jammerte
Bruno Schwarzer und schüttelte dazu den Kopf. »Oh, oh, oh.«
    Kiki kannte dieses
Lied. Es war der Refrain eines Klageliedes, das sie in den letzten Monaten viel
zu oft gehört hatte. Vom Installateur, dem Elektriker, dem Statiker. Der
Refrain lautete im Gesamten: »Oh, oh, oh. Das wird teuer.«
    Heute legte Bruno
Schwarzer das Gewicht der Welt in sein »oh«. Dieses »oh« verkündete den
nahenden Weltuntergang. Schwarzer war nur wenig älter als Kiki und eine
Koryphäe in Birkow und Umgebung. Ein Kerl wie ein Baum. Lang gewachsen,
kräftig, erdverbunden und direkt. So einer, das sah man sofort, hielt jedem
Sturm stand. Schon sein Ururgroßvater Hermann war Zimmermann gewesen. Und als
Wolfstöter eine Legende. Bruno Schwarzer stand seinem Vorfahr in nichts nach.
Kein Bauvorhaben im Umkreis von 50 Kilometern, an dem er nicht beteiligt war,
keine Entscheidung im Gemeinderat, bei der er nicht seine Finger im Spiel
hatte. Er war Alleinherrscher in der Firma, seit er seinen einstigen Kompagnon
Rico aus dem Geschäft gedrängt hatte. Selbst die Freundin Peggy hatte er ihm
ausgespannt. Peggy und Schwarzer waren bis heute verheiratet, Rico tauchte
unter. Selbst beim Bowlingturnier, Höhepunkt des Birkower Jahres, ließ er sich
nicht blicken. Schwarzer stiftete traditionell den Hauptpreis und gewann ihn
anschließend selber. Er war gewöhnt, dass alles auf sein Kommando hörte.
    »Wir müssen den ganzen
Dachstuhl neu machen«, stellte er fest. »Sonst haben Sie hier bald den
Schimmel. Und den kriegen Sie nie mehr raus. Oh, oh, oh.«
    Bruno klappte seinen
Notizblock zu.
    »Und was kostet das?«,
fragte Kiki tapfer. Sie hatte in den letzten Monaten mehr als eine schwierige
Situation überstanden.
    »Das

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