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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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Röntgenaufnahmen.
    »Für den Befund bist du
verantwortlich«, erklärte Kiki.
    Eva zweifelte, ob sie
Kiki unmöglich oder genial finden sollte. In ein paar Sekunden hatte sie die
Situation erfasst: nichts gebrochen. Nichts gerissen. Trotzdem würde sie sich
ein paar Tage schonen und den Hühnern beim Picken zusehen müssen. Das Problem
war nur, dass es im Hühnergehege, das seitlich von der Terrasse lag, nichts
mehr zu sehen gab. Noch bevor Eva verstand, was vor sich ging, hörte sie
Estelle aufschreien. Die Freundinnen waren gerade dabei, den malerischen
Gartentisch fürs Frühstück zu decken, als sie von ein paar entflohenen Hühnern
auf kulinarischer Entdeckungsreise hinterrücks angefallen wurden.
    »Wenn ich gewusst
hätte, dass diese Hühner Meisterausbrecher sind, ich hätte mir nie welche
angeschafft«, seufzte Kiki, die offensichtlich Erfahrung darin hatte, mit ihrem
Federvieh Fangen zu spielen. Eva lehnte sich entspannt zurück. Sie erwartete
großes Theater. Und sie bekam großes Theater.

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    »Es geht ganz einfach«,
erklärte Kiki ihren Freundinnen: »Langsam anpirschen, zügig ein Bein packen,
das Huhn vorneüberkippen und dann so schnell wie möglich unter den Arm, um die
Flügel zu fixieren.«
    Mithelfen beim lustigen
Hühnerfangen konnte sie nicht. Denn gerade als der Angriff beginnen sollte,
ertönte ein fröhliches Hupkonzert: Bruno Schwarzer. Endlich. Der Bauunternehmer
war allerbester Laune. Die zerstörerischen Kräfte von Sturmtief Lukas brachten
ihm zweifelsohne ein sattes Umsatzplus. Kiki verschwand mit ihrem Handwerker im
Haus, die Freundinnen widmeten sich dem Hühnervolk.
    Manche Leute besaßen
Vorwerk-Staubsauger, Kiki hatte Vorwerkhühner. Die einen räumten, die anderen
machten Mist. Judith hatte es für einen Scherz gehalten, aber die Sorte hieß
wirklich so. Kikis Hühner sahen aus wie Bilderbuchtiere, hatten jedoch nicht
die geringste Lust, sich auch so zu verhalten. Die gefiederten Hausgenossen
hatten die Verwirrung des Morgens genutzt, um aus ihrem Stall auszubrechen, der
durch einen heruntergestürzten Ast eine winzige Lücke bekommen hatte. Sie
wollten sich endlich den Köstlichkeiten widmen, die Kiki ihnen systematisch
vorenthielt. Und die lagen auf dem Komposthaufen, den sie bislang aus ihrem
Gehege nur sehnsuchtsvoll anschmachten durften.
    »Das kann doch nicht so
schwierig sein«, verkündete Judith tapfer. Während Kiki Schwarzer auf den Dachboden
führte, betätigte sie sich gemeinsam mit Caroline und Estelle als Fangkommando.
Auf ihrem Logenplatz auf der Terrasse setzte Eva sich in Positur, um keinen
Moment des Spektakels, das sich vor ihren Augen im Garten abspielte, zu
verpassen. Denn vor die Hühner hatte der Herr Elvis gesetzt. Es gab verrückte
Hühner, gackernde Hühner, junge, kopflose, kranke und wilde Hühner, und es gab
Elvis, den Hahn. Elvis nach Elvis Costello, weil er sein Kikeriki in den
unterschiedlichsten Stilen und Tonlagen schmettern konnte. Mit schrillen
Warnrufen forderte Elvis seine Mannschaft auf, sich zu verdrücken. Entschieden
stellte er sich dem mobilen Einsatzkommando der Dienstagsfrauen in den Weg.
Offensichtlich litt er unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die
ihm einflüsterte, dass er den drei Frauen körperlich und mental weit überlegen
war. Den Mangel an Größe kompensierte er mit kamikazehaftem Wagemut. Elvis,
Meister der Attacke, war bis in die letzte Hühnerkralle motiviert, seine
Damenmannschaft zu verteidigen. Noch bevor Judith einer seiner Hühnerdamen zu
nahetreten konnte, warf er sich mit abstehendem Halsgefieder auf den Feind. Und
das waren in dem Fall Judiths Füße, die in leichten Turnschuhen steckten. Dem
Besen, mit dem Caroline Judith zu Hilfe eilte, erging es nicht besser.
    »Der verteidigt sein
Rudel bis aufs Messer«, meinte Judith.
    »Heißt das ›Rudel‹ bei
Hühnern?«, wunderte sich Caroline.
    »Mich darfst du nicht
fragen«, warf Estelle ein. »Ich kaufe sie immer im Pfund.«
    Hühner pflücken war
viel schwieriger, als es aussah. Jeder Versuch, eine Henne anzufassen, wurde
als schwere Verletzung der Hühnerprivatsphäre aufgefasst und mit wütendem
Picken, Flattern und Kratzen geahndet. Das gefiederte Fußvolk machte ordentlich
Radau.
    Nichts für Menschen mit
schwachem Reaktionsvermögen, niedriger Frustrationstoleranz oder städtischem
Hintergrund. Die Hühner schienen überall zu sein, nur nicht im eigenen Gehege.
Jedes Mal, wenn eines der Hühner entwischte, quittierte Elvis den Sieg

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