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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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hatte jemand Reiswaffeln, frischen
Käse, Joghurt und einen Orangensaft abgestellt. Selbst Oskar, der in der Nacht
zuvor noch neben ihrer Schlafstatt gewacht hatte, war es an ihrer Seite zu
langweilig geworden. Eva konnte das nachvollziehen. Sie hatte keine Lust auf
einen weiteren Tag im Schongang. Sie würde aufstehen und sich nützlich machen.
So gut es eben ging.
    Vorsichtig setzte sie
den Fuß auf den Boden und verzog vor Schmerz das Gesicht. Dann eben der
Rollstuhl. Eva kannte das Modell aus dem Krankenhaus. Bei Bedarf konnte man so
was unter der Bezeichnung »geriatrisches Standardmodell« bei der
Materialwirtschaft im Untergeschoss anfordern. Das Gefährt war gedacht für
Patienten, von denen keiner mehr erwartete, dass sie aus eigener Kraft
irgendetwas bewegten. Nicht mal sich selbst.
    Eva war es nicht
gewohnt, auf Hilfe und Rücksicht angewiesen zu sein. Sie würde es schon alleine
nach draußen schaffen. Die paar Meter bis zur Tür. Einfach ein bisschen am Rad
drehen und schon glitt man elegant in die gewünschte Richtung. Theoretisch
jedenfalls. Vorsichtig rollte sie vor und zurück und testete die Bremse. Ein
Rad schleifte am Sitz, die Fußstütze hing schief herunter. Bei jeder Bewegung
zog der Rollstuhl nach links. Allein die Zimmertür zu erreichen, war eine
kräftezehrende Aufgabe, die Tür zu öffnen und sich hindurchzupressen beinahe
unmöglich. Kein Wunder, dass die Orthopädie im Krankenhaus regelmäßig
Mobilitätstraining für Rollstuhlfahrer anbot. Hüpfend, schiebend, ächzend und
mit einer halben Schulterverrenkung erreichte sie nach einer Reihe von
Fehlversuchen den Gang.
    Sie war heilfroh, dass
die Treppe zum alten Schulhof noch nicht fertig war. Von barrierefrei konnte
trotz Rampe keine Rede sein. Ihre Hilferufe blieben unbeantwortet. Wo waren nur
die Freundinnen? Die Türschwelle war zu hoch, das Gefälle zum Vorplatz geradezu
angsteinflößend. Beim vierten Anlauf schaffte sie es auf die Rampe. Einen
Moment lang hatte sie Angst, der Rollstuhl könnte nach hinten kippen. Und dann
ging es auch schon nach unten. Schnell. Viel zu schnell. Und unkontrolliert.
Bremsen war nicht möglich. Eva hatte zu viel Angst, dass ihre Finger in die
Speichen geraten könnten. Im Kiesbett auf dem Vorplatz kamen die Räder jäh zum
Stehen. Der Rollstuhl drohte nach vorne überzukippen, wäre nicht aus dem Nichts
eine helfende Hand aufgetaucht. Sie gehörte Steiner.
    »Was ist das?
Hindernistraining für Anfänger?«, fragte er. »Was für eine verrückte Idee, sich
alleine auf den Weg zu machen.«
    Vermutlich hatte er
recht. Sie war verrückt geworden. Sagte man nicht, dass nach dem Überleben
eines Unglücks alle Sinne geschärft waren? Männer gab es genug in Evas Umfeld:
Ärzte, Patienten, Freunde, Fridos Kollegen, Herrn Krüger. Nie hatte sie das
Bedürfnis verspürt, sich mit einem von ihnen zum Tête-à-Tête zu verabreden. Für
Steiner würde sie eine Ausnahme machen. Wenn er sie denn fragen würde.
    Doch Steiner fragte
nichts: »Ich wollte nur melden, dass mein Strom wieder geht«, meinte er.
    »Ich habe es gemerkt«,
meinte Eva. »Modern Talking hat es publik gemacht.«
    Warum fiel ihr nichts
Klügeres ein? Es war vermutlich eine eitle Hoffnung, Eindruck auf einen Mann zu
machen, wenn man sich gerade wie hundert fühlte und in einem Rollstuhl saß.
    Freundlicherweise
verfrachtete Steiner Eva wieder auf die Terrasse, wo Elvis sie mit einem
begeisterten Kikeriki begrüßte. Hühnerfernsehen. Schon wieder. Auf dem Tisch
lag noch immer der pädagogische Ratgeber.
    »Brauchen Sie noch
etwas?«, erkundigte sich Steiner.
    »Nein«, antwortete Eva.
Dabei meinte sie »Ja«. Ein bisschen Gesellschaft. Abwechslung. Neue Impulse.
Das Gefühl, nicht alles falsch gemacht zu haben. Stattdessen sagte sie nur:
»Ich komme prima allein zurecht.«
    »Keinen Blödsinn mehr
machen«, ermahnte sie Steiner.
    Eva wollte das lieber
nicht versprechen. Sie spürte nur zu gut, zu welchem Blödsinn sie fähig wäre.
Wenn man sie nur ließe.

30
    Endlich, endlich, endlich.
Licht, Heizung, Telefon, Internet. Caroline hatte wieder eine Verbindung zur
zivilisierten Welt. Sehnsuchtsvoll wartete sie darauf, dass das Telefon genug
Batterie hatte, um ihr einen Hilferuf an die Kölner Front zu gestatten. Nervös
tigerte sie in der Aula auf und ab. Sie war allein. Estelle wartete in ihrem
Zimmer auf den Rückruf von Sabine, Eva las auf der Terrasse, und Kiki war
gemeinsam mit Greta zur Minol-Tankstelle aufgebrochen.
    »Wenn alles gut

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