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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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vorbeisurfte,
konnte hier Alissas private Erinnerungen per Video abrufen. Brauttanz mit Vater lautete ein Titel. Man sah, wie die
junge Frau den sich sträubenden Thomas Steiner zum traditionellen Tanz auf die
Tanzfläche zog. Mit gespielter Verzweiflung wandte Steiner sich an die Band:
»Ich weiß nicht, was Sie spielen«, rief er den Musikanten zu. »Ich tanze jetzt
Tango. Bei Walzer habe ich in der Tanzschule gefehlt.«
    Augenscheinlich
verstanden Vater und Tochter sich bestens. Caroline amüsierte sich über
Steiners fröhliche Ausgelassenheit, seinen tänzerischen Übermut und seine
unorthodoxe Weise, sich zu bewegen. Tango war das nicht. Eher Freestyle. Thomas
Steiner beherrschte die gesamte Tanzfläche. Die übrigen Hochzeitsgäste bildeten
einen Kreis um das tanzende Paar und klatschten. Steiner genoss das
Zusammenspiel mit der Tochter, die großen Gesten und die Aufmerksamkeit der
umstehenden Damen. Er war der Mittelpunkt der Veranstaltung, der Hahn im Korb,
auf den sich alle Augen richteten. Das kannte sie schon. Von den
Dienstagsfrauen. Caroline musste unwillkürlich lachen. Steiner umwehte dieser
Hauch von Unnahbarkeit und Geheimnis. Und er war unkonventionell. Vielleicht
machte ihn das so anziehend.
    Caroline ging wieder
zum Fenster. Das Feuer war niedergebrannt. Schemenhaft konnte sie erkennen, wie
Eva sich umständlich von ihrem Platz erhob. War es der Fuß, den sie nicht
richtig belasten konnte? War es der Rotwein? War es Absicht? Oder eine Mischung
aus allem? Eva hatte eindeutig Schlagseite. Steiner blieb nichts anderes übrig,
als den Arm um Eva zu legen, um zu verhindern, dass sie umkippte. Eva legte
ihren Kopf auf seine Schulter. Und dann tat sie etwas, was Caroline ihr niemals
zugetraut hätte. Sie schlang beide Arme um ihn und küsste ihn. Einfach so. Der
Anblick traf Caroline wie ein Schlag.

47
    Was nun? Auch am nächsten
Morgen war der schale Geschmack nicht verschwunden. Bei ihrer morgendlichen
Joggingrunde versuchte Caroline das Bild des küssenden Paares abzuschütteln.
Vielleicht half die sportliche Betätigung, Platz für klare Gedanken zu
schaffen. Im Radio wurden erste Einschätzungen abgegeben, welchen
volkswirtschaftlichen Schaden Sturmtief Lukas angerichtet hatte. Versicherungsexperten
kamen zu Wort, Vertreter der Rettungskräfte und am Ende Bruno Schwarzer, der
als Bewohner der schwer getroffenen Gemeinde Birkow und größter Bauunternehmer
in der Gegend seine Erfahrungen teilte: »Die gravierendsten Schäden sind beseitigt«,
gab er bekannt, »Das Dorf ist bereit für die siebte Ausgabe des Birkower
Bowlingturniers. Alles unter Kontrolle.«
    So weit war Caroline
noch lange nicht. Wie sollte sie nur mit Eva umgehen? Und damit, dass sie etwas
beobachtet hatte, das nicht für ihre Augen bestimmt war. Seit dem Unfall in der
Schule stand die vierfache Mutter neben sich. Caroline erkannte die Freundin
nicht wieder. Vielleicht hatte eine Beinahe-Todeserfahrung, bei der mit einem
Schlag eine Überdosis Adrenalin freigesetzt wurde, eine ähnliche Wirkung wie
ein Blitzschlag, der das Gehirn neu sortierte. Musste sich Caroline zur
Komplizin machen und Evas Ausrutscher schweigend übergehen? Musste sie die
Freundin zur Rede stellen? Als sie Richtung Fischerhütte einbog, bemerkte sie,
dass sie nicht die Einzige war, die so früh am Morgen schon Probleme wälzte.
Steiner war bereits auf den Beinen. Sein überlegenes ironisches Lächeln war
einer gereizten Miene gewichen. Die Tür seines Wagens stand offen. Steiner lief
aufgeregt mit dem Telefon am Ohr auf dem Parkplatz auf und ab.
    »Sie hat vorgegeben,
einen Dokumentarfilm über den alten Theo zu drehen?«, fragte er. Seine Stimme
klang besorgt. Er telefonierte offenbar mit seiner Tochter, die es trotz der
frühen Morgenstunde für notwendig erachtete, ihren Vater über Noras Anruf zu
informieren.
    »Seitz und Partner«,
hörte Caroline ihn sagen. »Das war der Name der Kanzlei? Die Partner kenne ich
nicht, aber Caroline Seitz.«
    Nora hatte offenbar bei
ihren Geheimrecherchen übersehen, dass die Nummer des Anwaltsbüros auf dem
Display digitaler Telefone erschien und es ein Leichtes war, ihren Anruf
zurückzuverfolgen. Caroline freute sich jetzt schon auf den Moment, wo sie sich
Steiner gegenüber rechtfertigen musste.
    Steiner nickte
bedenklich. »Das hat etwas mit meinem aktuellen Auftrag zu tun.«
    Caroline traute sich
kaum zu atmen. Vielleicht würde sie hier den entscheidenden Hinweis bekommen.
    »Caroline Seitz

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