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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Mallory.«
    »Danke«, sagte Mallory. »Fraser, ich brauche was zu trinken.«
    Fraser nickte bedächtig.
    »Lassen Sie uns wohin gehen, wo wir uns in aller Ruhe und Bescheidenheit einen antrinken können, ohne falschen Glanz und Flitter. Nicht in ein feines Lokal, sondern in ein Haus, wo man auch einen Mann einlässt, der nichts mehr hat als den Rock auf seinem Rücken!« Mallory stieß in den verkohlten Resten seines Kleiderschranks herum.
    »Ich weiß, was Sie brauchen, Sir«, sagte Fraser in beschwichtigendem Ton. »Einen freundlichen Ort, wo man ein bisschen Dampf ablassen kann – wo man trinken und tanzen und sich mit lebhaften Damen unterhalten kann.«
    Mallory entdeckte die geschwärzten Messingknöpfe seines Militärmantels aus Wyoming. Der Anblick traf ihn tief. »Sie würden nicht versuchen, mich zu gängeln, Fraser? Ich vermute, dass Oliphant Ihnen Anweisung gab, mich zu beaufsichtigen. Ich glaube, das wäre ein Fehler. Ich bin in einer unguten Stimmung, Fraser.«
    »Ich verstehe Sie durchaus, Sir. Der Tag ist sehr unfreundlich gewesen. Aber vielleicht hilft es, wenn Sie Cremorne Gardens sehen.«
    »Das Einzige, was ich sehen will, ist der Stilett-Strolch im Visier einer Büffelflinte!«
    »Ich verstehe Ihre Gefühle vollkommen, Sir.«
    Mallory öffnete sein silbernes Zigarrenetui – wenigstens hatte er noch diesen Besitz – und zündete seine letzte Havanna an. Er paffte angestrengt, bis die Ruhe guten Tabaks endlich ihre Wirkung tat. »Andererseits«, sagte er dann, »nehme ich an, dass Ihr Cremorne Gardens das Richtige sein mag, wenn man unter Druck steht.«
    Fraser führte ihn die Cromwell Lane hinunter, vorüber an dem riesenhaften Stapel blasser Ziegel, in dem sich das Krankenhaus für Schwindsüchtige befand. Ein an diesem Abend besonders schrecklicher Ort.
    Unbestimmte Gedanken an Krankheit und Siechtum nagten weiterhin an Mallorys Bewusstsein, sodass sie in einem der nächsten Wirtshäuser Station machten, wo Mallory vier oder fünf kleine Gläser eines überraschend ordentlichen Whiskys trank. Das Lokal war voll von Anwohnern aus New Brompton, die in einer gemütlichen Art ziemlich lustig waren, wie Belagerte, die sich einzurichten verstehen. Zu Mallorys Leidwesen steckten sie jedoch ständig Zweipencestücke in ein Pianola, das »Komm in die Laube« klimperte – »Come to the Bower« –, ein Lied, das Mallory verabscheute. Es gab hier keine Ruhe für ihn. Außerdem war es nicht Cremorne Gardens.
    Ein paar Häuserblocks die New Brompton Road hinunter stießen sie auf erste Anzeichen ernsthafter Auseinandersetzungen. Vor den Toren der ausgedehnten Fabrikanlage von Bennett & Harper, einem Hersteller von Patent-Bodenbelägen, hatte sich eine größere Menge Uniformierter versammelt. Industrielle Auseinandersetzungen irgendwelcher Art.
    Erst als Fraser und Mallory herangekommen waren, konnten sie sehen, dass die Menge fast ausschließlich aus Polizisten bestand. Bennett & Harper erzeugte gemusterte, wasserdichte Bodenbeläge aus Sackleinwand, gemahlenem Kork und Kohle derivaten, die beliebig zugeschnitten und in Wohnräumen, Küchen und Badezimmern verlegt wurden. Sie erfreuten sich besonders beim Kleinbürgertum großer Beliebtheit, da sie haltbar, praktisch und preisgünstig waren. Mit einem halben Dutzend Fabrikschornsteinen erzeugte das Unternehmen aber auch große Mengen Rauch und Abgase, ohne die London in der gegenwärtigen Lage besser dran sein würde. Die ersten Amtspersonen an Ort und Stelle – zumindest beanspruchten sie diese Auszeichnung – waren Inspektoren des Königlichen Patentamtes, die durch einen Notstandsplan der Regierung zur Industrieüberwachung dienstverpflichtet und mit Vollmachten ausgestattet worden waren. Aber Bennett & Harper hatten in dem Bestreben, Produktionsausfälle zu vermeiden, die Autorität der Patentinspektoren nicht anerkannt. Bald sahen sich die Fabrikherren zwei weiteren Inspektoren eines Industrieausschusses der Royal Society gegenüber, die auf Präzedenzfälle verwiesen. Auch die Polizei des Bezirks war zusammengezogen worden, gefolgt von einer Einsatztruppe Stadtpolizisten in einem Dampfbus. Die meisten Om nibusse waren inzwischen von der Regierung beschlagnahmt worden, ebenso wie die Droschken der Stadt, um während des U-Bahn- Streiks den öffentlichen Stadtverkehr neu zu organisieren.
    Die Polizei hatte die Feuerungsanlagen der Fabrik sofort stillgelegt, was die guten Absichten der Regierung bezeugte, aber die Arbeiter des Unternehmens waren

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