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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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auf dem Gehsteig. Mallory blickte in die Richtung und sah eine eigentümlich geduckte, geisterhafte Gestalt aus dem Dunst hervorkommen. Die Kleidung flatterte im Luftzug ihrer Geschwindigkeit; unter die Arme hatte sie zwei Spazierstöcke geklemmt.
    Mallory sprang im letzten Augenblick zurück, als der Junge mit einem jaulenden Schrei vorbeischoss. Ein vielleicht dreizehnjähriger Junge auf Rollschuhen mit Gummirädern. Ein Stück weiter schwang er fast auf der Stelle herum und stieß sich mit den Stöcken über das Pflaster zurück. Kurz darauf hatte ein ganzes Rudel von Jungen Mallory und Fraser umringt und hüpfte und kreischte wie eine Meute toll gewordener Hunde. Die anderen hatten keine Rollschuhe, aber fast alle trugen die viereckigen kleinen Stoffmasken, wie sie von Lochern bei der Bedienung ihrer Maschinen getragen wurden.
    »Sagt mal, ihr Teufelsbraten!«, bellte Fraser. »Woher habt ihr diese Masken?«
    Sie beachteten ihn nicht. »Das war ein Kugelblitz!«, schrie einer von ihnen. »Mach’s noch mal, Bill!« Ein anderer Junge ging dreimal mit einer merkwürdig rituellen Bewegung in die Hocke, dann sprang er hoch in die Luft und krähte: »Zucker!« Die anderen lachten und schrien.
    »Beruhigt euch, ihr«, herrschte Fraser die Burschen an.
    »Sauertopf!«, rief ihm einer zu. »Alter Hosenhuster!« Die ganze Bande brach in kreischende Heiterkeit aus.
    »Wo sind eure Eltern?«, verlangte Fraser zu wissen. »Ihr solltet nicht in diesem Wetter herumrennen.«
    »Quatsch mit Soße!«, höhnte der Junge mit den Rollschuhen. »Vorwärts, meine wackere Schar! Panther Bill kommandiert!« Er stieß mit den Spazierstöcken ins Pflaster und sauste davon. Die anderen folgten mit Geschrei.
    »Viel zu gut gekleidet, um Straßenlümmel zu sein«, bemerkte Mallory.
    Die Jungen rannten nur ein kurzes Stück, dann hängten sie sich mit ausgestreckten Armen aneinander und bildeten eine Kette. Der Junge auf Rollschuhen übernahm das Ende.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte Mallory.
    Die Kette der Jungen öffnete sich und schwang über den Platz, jedes ihrer Glieder gewann dabei an Schwungkraft, und plötzlich schoss der Junge mit den Rollschuhen wie ein Stein vom Katapult mit einem Schrei über das Pflaster. Im nächsten Augenblick stieß er auf eine Unebenheit im Pflaster, verlor das Gleichgewicht und schoss kopfüber in eine Schaufensterscheibe.
    Glasscherben spritzten aus der berstenden Scheibe, fielen wie die Klingen von Guillotinen aus dem Rahmen.
    Panther Bill lag vor dem Schaufenster auf dem Pflaster, anscheinend betäubt oder tot. Einen Augenblick lang herrschte völlige Stille.
    »Schatz!«, schrillte einer der Jungen. Mit ohrenbetäubenden Schreien stürzte sich die Bande auf das Schaufenster und holte heraus, was darin ausgestellt war: Ferngläser, Stative, Teleskope, Artikel aus feuerfestem Glas …
    »Halt!«, rief Fraser. »Polizei!« Er zog sein Taschentuch von Gesicht und Mund, griff in die Jacke und stieß dreimal in eine vernickelte Polizeitrillerpfeife.
    Die Jungen flohen augenblicklich. Ein paar ließen ihre Beute fallen, aber die Übrigen hielten daran fest und spritzten auseinander. Fraser setzte ihnen nach, während Mallory zu dem zerbrochenen Schaufenster eilte, wo Panther Bill noch ausgestreckt lag. Als er zu ihm kam, richtete sich der Junge auf einem Ellbogen auf und schüttelte seinen blutenden Kopf.
    »Du bist verletzt, Junge«, sagte Mallory.
    »Mir fehlt nichts!«, behauptete Panther Bill mit schwerer Zunge. Seine Kopfhaut war bis auf den Knochen aufgeschnitten, und Blut strömte ihm über beide Ohren. »Fassen Sie mich nicht an!«
    Mallory zog sich verspätet das Taschentuch von Mund und Nase und versuchte zu lächeln. »Du bist verletzt, Junge. Du brauchst Hilfe.« Fraser kam hinzu, und gemeinsam beugten sie sich über den Jungen.
    »Hilfe!«, kreischte dieser. »Helft mir, meine Truppe!«
    Mallory hob den Kopf und hielt Ausschau. Vielleicht konnte einer der anderen Jungen um Hilfe geschickt werden.
    Ein glitzernder dreieckiger Glassplitter wirbelte durch den Dunst und traf Fraser hart in den Rücken. Der Polizist fuhr aus seiner gebückten Haltung hoch, einen Ausdruck ungläubigen Staunens in den Augen.
    Panther Bill nutzte die Ablenkung, um aufzuspringen und sich auf seinen Rollschuhen davonzumachen. Ein weiteres Schaufenster in der Nähe zerbarst unter einem geworfenen Pflasterstein, und Freudenschreie mischten sich mit dem hellen Klirren von Glas.
    Der Glassplitter war in Frasers Rücken

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