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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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stinkenden gelblich grauen Dunst, der es schwierig bis unmöglich machte, eine Straße in ihrer ganzen Länge zu überblicken. Die Passanten erschienen aus diesem Dunst wie gut gekleidete Gespenster. Fraser ging voraus, ohne zu klagen und mit untrüglicher Ortskenntnis. Mallory vermutete, dass der Mann ihn mit einer Augenbinde fast ebenso mühelos durch die Straßen Londons hätte führen können. Sie hatten sich jetzt Taschentücher über Mund und Nase gebunden. Es schien eine vernünftige Sicherheitsvorkehrung, obwohl es Mallory störte, dass Fraser nun noch schweigsamer schien als zuvor.
    »Die Kinotrope sind der Wendepunkt«, meinte Mallory, als sie durch die Brompton Road gingen. Die Türme ihrer Paläste der Gelehrsamkeit waren im Dunst fast unsichtbar. »So war es nicht, bevor ich England verließ. Vor zwei Jahren waren die verdammten Dinger nicht annähernd so verbreitet wie heute. Jetzt kann ich keinen öffentlichen Vortrag ohne Kinotrop halten.« Er hustete. »Übrigens ist der Nutzen höchst zweifelhaft. Dieses lange Projektionsband vor dem Evening Telegraph in der Fleet Street gab mir zu denken, wie es über den Köpfen der Menge seine Nachrichtentexte ablaufen ließ. ›Erdarbeiterstreik, U-Bahn geschlossen‹, war da zu lesen. ›Parlament bringt Themsestaat in Verruf.‹«
    »Was ist dagegen zu sagen?«, fragte Fraser.
    »Dass es nichts aussagt«, erwiderte Mallory. » Wer im Parlament? Was für einen Themsestaat überhaupt? Was sagte das Parlament darüber? Kluge Argumente oder Albernheiten?«
    Fraser grunzte.
    »Es ist Scheininformation, hinter der sich eine bösartige Desinformation der Öffentlichkeit verbirgt. Bloße Schlagworte, leere Sprüche. Keine Argumente werden gebracht, keine Tatbestände abgewogen. Es ist keine Nachricht, nur leere Unterhaltung für Müßiggänger.«
    »Man könnte dagegenhalten, dass es für die Müßiggänger besser sei, ein bisschen zu wissen als überhaupt nichts.«
    »Wenn die Leute sich für informiert halten, ohne es zu sein, ist es noch schlimmer, Fraser! Diese als Nachrichten aufgeputzten Schlagworte und Redensarten sind wie Banknoten ohne Golddeckung oder wie ungedeckte Schecks. Wenn das die Ebene sein soll, auf der die breite Masse informiert wird, dann muss ich sagen: dreimal Hoch auf die Autorität des Oberhauses.«
    Ein Feuerwehr-Dampfwagen schnaufte langsam vorbei. Er müdete Feuerwehrmänner standen auf den Trittbrettern, Klei dung und Gesichter geschwärzt von ihrer Arbeit, oder vielleicht von der Londoner Luft oder dem stinkenden Ruß aus dem Schornstein ihres eigenen Dampfwagens. Mallory sah eine eigentümliche Ironie darin, dass ein Feuerwehrdampfwagen sich nur mithilfe eines Haufens brennender Kohlen fortbewegen konnte. Aber vielleicht war es doch sinnvoll, denn unter Wetterverhältnissen wie diesen wäre ein Pferdegespann kaum in der Lage, einen Block weit zu galoppieren.
    Mallory war begierig, seine raue Kehle mit einem Huckle-buff zu schmieren, aber im Inneren des Palastes der Paläontologie war es rauchiger als draußen. Ein unangenehmer Gestank wie von verbrannten Federbetten lag in der Luft.
    Vielleicht hatten Kellys Anwendungen von mangansaurem Natron die Abwasserleitungen durchfressen. Jedenfalls schien dieser Gestank die Gäste vertrieben zu haben, denn im Foyer war kaum eine Seele und aus dem Speisesaal war kein Mucks zu hören. Mallory betrat auf der Suche nach Bedienung den Salon und sah sich inmitten der lackierten Wandschirme und roten Seidenbezüge um, als Kelly selbst erschien. Sein Gesicht war angespannt und energisch. »Dr. Mallory?«
    »Ja, Kelly?«
    »Ich habe schlechte Nachricht für Sie, Sir. Ein unglückliches Ereignis. Ein Brand, Sir.«
    Mallory sah Fraser an.
    »Ja, Sir, als Sie heute gingen, ließen Sie vielleicht Kleidung in der Nähe der Gasflamme? Oder vergaßen Sie vielleicht eine brennende Zigarre?«
    »Sie wollen doch nicht sagen, der Brand sei in meinem Zimmer ausgebrochen?«
    »Ich fürchte, so ist es, Sir.«
    »Ein größerer Brand?«
    »Die Gäste dachten es, Sir. Auch die Feuerwehr.« Kelly sagte nichts von den Empfindungen des Personals, aber sein Gesichtsausdruck machte deutlich, wie er über die Sache dachte.
    »Ich drehe den Gashahn immer zu!«, platzte Mallory heraus. »Ich erinnere mich nicht genau – aber ich tue das immer .«
    »Ihre Tür war zugesperrt, Sir. Die Feuerwehr musste sie einschlagen.«
    »Das wollen wir uns ansehen«, schlug Fraser vor.
    Die Tür zu Mallorys Raum war mit einer Axt

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