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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Gewiss, die Polizei und die Behörden hier haben deine Nummer. Aber Nummern sind letztlich nichts weiter als Nummern, und deine Akte ist nicht mehr als ein kleiner Stoß Lochkarten. Für diejenigen, die Bescheid wissen, gibt es Mittel und Wege, eine Personen-Nummer zu ändern.« Er sah ihr Erstaunen und grinste wieder. »Zugegeben, hier in London ist es nicht leicht zu machen. Aber im Paris Louis Napoleons laufen die Dinge anders! Im eleganten Paris ist alles viel lockerer, besonders für eine Abenteurerin, die gut flunkern kann und hübsche Fesseln hat.«
    Sybil biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich brannten ihr die Augen. Es war der bittere Rauch vom Kalklicht, aber auch die Furcht. Eine neue Nummer in der Regierungsmaschine – das würde ein neues Leben bedeuten. Ein Leben ohne eine Vergangenheit. Der unerwartete Gedanke an eine solche Frei heit erschreckte sie. Nicht so sehr wegen der Freiheit selbst, obwohl das ein seltsamer und verwirrender Gedanke war. Aber was mochte Mick Radley im Austausch dafür verlangen? »Könntest du wirklich meine Nummer ändern?«
    »Ich kann dir in Paris eine neue kaufen. Dich als Französin ausgeben oder als ein Flüchtlingsmädchen aus Amerika.« Mick verschränkte die eleganten Arme vor der Brust. »Wohlgemerkt, ich verspreche nichts. Du wirst es verdienen müssen.«
    »Du würdest mich nicht übers Ohr hauen, Mick?«, fragte sie zögernd. »Weil … weil ich zu einem Mann, der mir einen so großen Dienst erweisen könnte, ganz besonders zärtlich sein würde.«
    Mick stieß die Hände in die Manteltaschen, schaukelte auf den Absätzen zurück und sah sie an. »Würdest du, hm?«, sagte er mit halblauter Stimme. Ihre bebenden Worte hatten etwas in ihm entfacht, sie sah es in seinen Augen. Etwas Begieriges, Verlangendes, von dem sie wusste, dass es da war, ein Bedürfnis, das er hatte … seine Angelhaken fester in ihr zu verankern.
    »Ich könnte, wenn du mich als deine Lehrlingsabenteurerin fair und gerecht behandeltest, nicht wie irgendein schmutziges Straßenmädchen, das man benützt und wegwirft.« Sybil merkte, wie ihr die Tränen kamen. Sie zwinkerte, aber es war nichts zu machen; ohne ihren Blick von ihm zu wenden, ließ sie den Tränen ihren Lauf und dachte, dass sie vielleicht sogar von Nutzen sein könnten. »Du würdest mir nicht erst Hoffnungen machen und sie dann zerstören, nicht wahr? Das wäre niederträchtig und grausam! Wenn du das tätest, würde ich – würde ich von der Tower-Brücke springen!«
    Er blickte ihr in die Augen. »Lass dieses Schnüffeln, Mädchen, und hör mir gut zu! Du musst verstehen, dass du nicht bloß Micks hübsches Musselinkopfkissen bist – ich mag einen Geschmack an dem finden, was alle Männer schätzen, aber das kann ich bekommen, wo ich will, und dafür brauche ich dich nicht. Ich brauche die geschickte Flunkerei und Schmeichelei, und dazu den Mut, der deinen Vater auszeichnete. Du sollst mein Lehrling sein, Sybil, und ich dein Meister, und so sollen die Dinge zwischen uns stehen. Du wirst loyal, gehorsam und wahrhaftig zu mir sein, ohne Ausflüchte und Ungebührlichkeiten, und als Gegenleistung werde ich dir die Kniffe des Handwerks beibringen und dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt – und du wirst finden, dass ich so freundlich und großzügig bin, wie du loyal und wahrhaftig bist. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Ja, Mick.«
    »Dann haben wir also einen Pakt geschlossen?«
    »Ja, Mick.« Sie lächelte ihn an.
    »Gut und schön«, sagte er. »Dann knie hier nieder und leg deine Hände wie im Gebet zusammen und leiste diesen Eid. Dass du, Sybil Gerard, bei den Heiligen und Engeln, bei den Seraphim und Cherubim und dem alles sehenden Auge schwörst, Michael Radley zu gehorchen und ihm treu zu dienen, so wahr dir Gott helfe! Willst du so schwören?«
    Sie starrte ihn bestürzt an. »Muss ich wirklich?«
    »Ja.«
    »Aber ist es nicht eine schwere Sünde, einen solchen Eid zu leisten? Einem Mann, der … Ich meine, schließlich sind wir nicht im heiligen Ehestand …«
    »Was du meinst, ist ein Ehegelübde«, sagte er in ungeduldigem Ton. »Dies ist ein Lehrlingseid!«
    Sie sah keine Alternative. Nachdem sie ihre Röcke zurückgezogen hatte, kniete sie vor ihm auf dem kalten schmutzigen Steinboden nieder.
    »Schwörst du es?«
    »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.«
    »Mach nicht so ein trübseliges Gesicht«, sagte er, nachdem er ihr auf die Füße geholfen hatte. »Das ist ein milder Eid, den du geschworen

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