Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
zeigte zum Fuß des massiven Himmelbettes, wo die zierliche japanische Puppe untröstlich zusammengesunken lag, umgeben von einem Durcheinander von bedrucktem Blech und bemaltem Blei. Ein langer, scharfer Splitter aus einem durchscheinendem Material ragte grotesk und mörderisch aus ihrem prachtvollen Gewand. »Es ist die Feder, weißt du. Ich glaube, sie war zu fest aufgezogen, Onkel Larry. Bei der zehnten Umdrehung sprang sie heraus.«
»Die Japaner treiben ihre Puppen mit Federn aus Fischbein an, Affie. Eigentlich sind es die Barten der Wale, die besonders elastisch sind. Sie haben noch nicht die Herstellung von richtigen Stahlfedern gelernt, aber das werden sie bald beherrschen. Wenn es so weit ist, werden ihre Puppen nicht mehr so leicht kaputtgehen.«
»Vater sagt, du interessiertest dich zu sehr für deine Japaner«, sagte Alfred. »Er sagt, du würdest sie als den Europäern ebenbürtig betrachten.«
»Das tue ich auch, Affie! Ihre mechanischen Vorrichtungen sind gegenwärtig noch den unsrigen unterlegen, was an ihren fehlenden Kenntnissen in den angewandten Wissenschaften liegt. Aber in der Zukunft könnten sie die Zivilisation einmal zu ungeahnten Höhen führen …«
Der Junge betrachtete ihn zweifelnd. »Vater würde es gar nicht gefallen, was du sagst.«
»Nein, das glaube ich auch nicht.«
Anschließend verbrachte Oliphant eine halbe Stunde auf den Knien und ließ sich von Alfred eine französische Spielzeugmaschine vorführen, die wie ihr Vorbild, der Große Napoleon, mittels Druckluft betrieben wurde. Die kleine Maschine arbeitete mit Telegrafen-Lochstreifen statt mit Karten, was Oliphant an den Brief erinnerte, den er M. Arslau geschrieben hatte. Bligh musste ihn inzwischen zur französischen Botschaft gebracht haben; sehr wahrscheinlich war er bereits in der Tasche eines diplomatischen Kuriers unterwegs nach Paris.
Alfred schloss seine Maschine an ein Miniatur-Kinotrop an, als am Türknopf gerüttelt wurde: Im Buckingham-Palast wurde niemals an den Türen geklopft. Oliphant erhob sich, öffnete die hohe weiße Tür und sah das vertraute Gesicht des Kammerdieners Nash, dessen unkluge Spekulationen mit Eisenbahnaktien ihn zum unfreiwilligen Intimus des Betrugsdezernates gemacht hatten. Oliphants politisches Geschick hatte die Angelegenheit erfolgreich ausgebügelt – eine gut investierte Freundlichkeit, wie er jetzt in Nashs unverstellter Haltung respektvoller Aufmerksamkeit sehen konnte. »Mr. Oliphant«, sagte Nash, »ein Telegramm ist eingegangen, Sir. Sehr dringend.«
Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Sonderabteilung trug in nicht geringem Maße zu Oliphants allgemeinem Gefühl von Unbehagen bei. Paternoster selbst hätte sich kein schnelleres oder schnittigeres Fahrzeug wünschen können.
Mit der Schnelligkeit eines Traumes flogen sie am St.-James-Park vorüber. Die nackten schwarzen Äste der Linden sausten wie windverwehter Rauch vorbei. Der Fahrer trug eine lederne Schutzbrille mit runden Gläsern und genoss offensichtlich die rasante Fahrt; von Zeit zu Zeit ließ er ein kehliges Pfeifen ertönen, das Pferde scheuen und Fußgänger laufen machte. Der Heizer, ein stämmiger junger Ire, schaufelte mit manischem Grinsen Kohlen in die Feuerung.
Oliphant hatte keine Ahnung von ihrem Ziel. Nun, als sie sich dem Trafalgar Square näherten, zwang der dichtere Verkehr den Fahrer, ständig am Seilzug der Dampfpfeife zu ziehen, die nun ein trauriges Winseln und Heulen von sich gab, wie ein gramgeplagter Behemoth des Meeres. Bei diesem Geräusch teilte sich der Verkehr wie das Rote Meer vor Moses, und behelmte Polizisten salutierten zackig, als sie vorbeijagten. Straßenjungen schlugen vor Begeisterung Rad, als sie den schlanken Blechfisch den Strand hinunterflitzen sahen.
Es dunkelte rasch. Als sie in die Fleet Street einbogen, bediente der Fahrer die Bremse und zog einen Hebel, der eine mächtige Wolke abwärtsströmenden Dampfes entließ. Der schnittige Dampfwagen kam zum Stillstand.
»Nun, Sir«, bemerkte der Fahrer und schob seine Schutzbrille auf die Stirn, »hier geht es nicht weiter. Sehen Sie sich das an!«
Der Verkehr war durch die Errichtung hölzerner, mit Laternen behängter Straßensperren völlig zum Erliegen gebracht: Hinter der Absperrung standen grimmig blickende Soldaten in Kampfausrüstung, die Cutts-Maudsley-Karabiner schussbereit. Hinter ihnen waren zwischen rohen Holzpfosten Planen gespannt, als wollte jemand mitten auf der Fleet Street eine Bühnenaufführung
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