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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Jackson ausgewiesen.
    Da und dort hörte man unterdrücktes Zischen, vielleicht angeführt von den Soldaten, und Unruhe kam in die Menge. Manche Briten erinnerten sich noch Jacksons als Kriegsgegner, mithin ohne Zuneigung. Nach Houstons Worten hatte der vielseitige Jackson, der sich unter anderem als Grundstücksspekulant betätigt hatte, auch tapfer gegen Indianer gekämpft und war sogar eine Zeit lang Präsident der Vereinigten Staaten gewesen; aber all das bedeutete hier wenig. Houston pries Jackson als seinen Patron und Mentor, »einen aufrichtigen Soldaten des Volkes, der den inneren Wert eines Mannes über den Flitter von Reichtum und Geltungsbedürfnis stellte«, aber der Applaus, den er mit diesem gefühlvollen Plädoyer gewann, war bestenfalls widerwillig.
    Nun erschien eine weitere Szene, ein primitives Grenzfort aus Blockhäusern und Palisaden. Houston erzählte die Ge schichte einer Belagerung aus der Frühzeit seiner militärischen Laufbahn, als er unter Jackson gegen die Creek-Indianer gekämpft hatte. Aber er schien sein natürliches Publikum, die Soldaten, verloren zu haben, denn die drei Krimveteranen in Sybils Reihe murmelten noch immer zornig über Jackson, der als »Verteidiger von New Orleans« nationalen Ruhm geerntet hatte. »Der verdammte Krieg war zu Ende, bevor die Unsrigen New Orleans erreicht hatten …«
    Plötzlich leuchtete das Kalklicht blutrot auf. Mick war unter der Bühne geschäftig: ein Filter aus gefärbtem Glas, das plötzliche Dröhnen einer Kesselpauke, als kleine Kinotrop-Kanonen um das Fort Pulverrauch ausstießen und kleine flimmernde Kanonenkugeln von roter Farbe ihre Bogen über die Leinwand zogen. »Jede Nacht hörten wir die fanatischen Creek-Krieger ihre unheimlichen Todeslieder heulen«, rief Houston. »Die Situation verlangte einen Ausbruch, mit der blanken Waffe! Viele sagten, es sei der sichere Tod … aber ich war nicht umsonst ein Freiwilliger aus Tennessee …«
    Eine winzige Gestalt rannte über die Leinwand, nicht mehr als ein paar schwarze Vierecke, ein zappelnder Block aus kleinen Teilen, und plötzlich erlosch alles Licht auf der Bühne. In der jähen Dunkelheit kam überraschter Applaus auf. Die Jungen oben auf dem Rang stießen schrille Pfiffe aus. Dann ging das Kalklicht wieder an und beleuchtete Houstons Gestalt. Er begann, mit seinen Kriegsverwundungen zu prahlen: zwei Kugeln in den Arm, ein Messerstich ins Bein, einen Pfeil in den Bauch – Houston rieb sich dabei den Leib, als hätte er noch jetzt Magenschmerzen. Er habe die ganze Nacht auf dem Schlachtfeld gelegen, behauptete er, und sei dann tagelang auf einem Proviantwagen durch die Wildnis befördert worden, blutend, fantasierend, krank vom Sumpffieber …
    Der Buchhaltertyp neben Sybil nahm einen weiteren Zitro nendrops und konsultierte seine Taschenuhr: Nun erschien auf dem Begräbnisschwarz der Leinwand allmählich ein fünfzackiger Stern, als Houston von seiner mühsamen und langwierigen Flucht vor dem Grab erzählte. Eines der verklemmten Kinotrop-Teilchen hatte sich wieder gelöst, aber im unteren rechten Bildfeld war ein anderes inzwischen hängen geblieben.
    Sybil unterdrückte ein Gähnen.
    Der Stern erstrahlte nach und nach, als Houston über seinen Eintritt in die amerikanische Politik sprach und als sein Motiv den Wunsch angab, seinen lieben verfolgten Cherokee zu helfen. Das war schon ziemlich exotisch, dachte Sybil, aber es war der übliche Humbug, mit dem Politiker aufzuwarten pflegten, und das Publikum wurde unruhig. Es hätte gern noch mehr über Kämpfe gehört, oder vielleicht auch poetische Erzählungen über sein Leben mit den Cherokee, stattdessen aber hatte Houston sich in eine Litanei über seine Wahl in eine Art Siedlerparlament, verschiedene obskure Posten in einer Provinzregierung und seine Tätigkeit in der Partei verstrickt, und die ganze Zeit wuchs der Stern auf der Leinwand, und seine Ränder verzweigten sich kompliziert und wurden zum Emblem der Regierung von Tennessee.
    Sybils Augenlider wurden schwer und sanken herab, während der General weiterrenommierte.
    Ganz plötzlich veränderte sich Houstons Tonfall, wurde schmachtend, sentimental, und honigsüße Obertöne kamen in seine gedehnte Sprechweise. Er erzählte von einer Frau.
    Sybil saß aufrechter und lauschte.
    Wie es schien, war Houston zum Gouverneur gewählt worden und hatte es zu einigem Moos gebracht. Und er hatte ein Mädchen aus einer guten Familie Tennessees gefunden und geheiratet.
    Aber auf der

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