Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Halses die Reserve auf, blieb aber niemals weit entfernt von Abneigung und Widerwillen.
Vielleicht hatte er etwas wirklich Schreckliches angestellt, dachte Sybil und rieb in ihrem Muff aus Kaninchenfell ihre Hände aneinander. Vielleicht war es das Damenfieber: dass er seiner eigenen Frau nicht bloß einen Kavaliersschnupfen angehängt hatte, sondern die Syphilis. Manche Arten von Syphilis waren furchtbar und konnten einen schwachsinnig oder blind machen, oder zum Krüppel. Vielleicht war das das Geheimnis. Mick könnte es wissen. Sehr wahrscheinlich wusste Mick alles darüber.
Houston erklärte, dass er die Vereinigten Staaten angewidert verlassen habe und nach Texas gegangen sei, und auf dieses Stichwort hin erschien auf der Leinwand eine Landkarte, eine Gegend in der Mitte des Kontinents. Houston behauptete, er sei dorthin gegangen, weil er Land für seine armen, leidenden Cherokee-Indianer gesucht habe, aber es war alles ein bisschen verwirrend.
Sybil fragte den Buchhaltertyp neben ihr nach der Uhrzeit. Erst eine Stunde war vergangen. Erst ein Drittel der Rede. Aber ihr Augenblick näherte sich.
»Sie müssen sich ein Land vorstellen, dessen Größe ein Mehrfaches Ihrer heimatlichen Inseln beträgt«, erklärte Hous ton gerade. »Ein Land, wo es keine größeren Straßen als die Fährten von Indianern gibt. Und zur damaligen Zeit nicht eine einzige Meile britischer Eisenbahn, nicht zu reden von Telegrafenleitungen oder sonstigen zivilisatorischen Errungenschaften, wie man sie hier als selbstverständlich betrachtet. Als Oberkommandierender der nationalen texanischen Streitkräfte hatten meine Befehle keinen schnelleren oder verlässlicheren Kurier als den berittenen Kundschafter, dessen Wege bedroht waren von Komantschen und Karakawas, von mexikanischen Banditen und den Tausend namenlosen Gefahren der Wildnis. Unter diesen Umständen war es kein Wunder, dass Oberst Travis meine Befehle zu spät erhielt und sein Vertrauen in tragischer Verkennung der Situation in die von Oberst Fannin herangeführten Verstärkungen setzte. Umzingelt von einer starken feindlichen Übermacht, erklärte Oberst Travis seinen Leuten, dass es nur Sieg oder Tod gäbe – wobei er sehr gut wusste, dass der Letztere der vom Schicksal beschlossene Ausgang sein musste. Und so war es; die Verteidiger des Alamo kamen bis auf den letzten Mann um. Der edle Travis, der furchtlose Oberst Bowie und auch David Crockett, eine legendäre Gestalt unter den Männern des Grenzlandes« – die Herren Travis, Bowie und Crockett hatten jeweils ein Drittel der Kinotrop-Leinwand – »hatten sich jedoch nicht vergebens geopfert; durch ihr Aushalten bis zuletzt erkauften sie mir kostbare Zeit für meine Hinhaltestrategie.«
Es folgten weitere soldatische Erörterungen. Dann trat er vom Rednerpult zurück und zeigte mit seinem dicken polierten Stock zur Leinwand auf. »Die Streitkräfte unter Lopez de Santa Ana waren so angeordnet, wie Sie es hier sehen können, mit den Wäldern auf der linken Flanke und den Flussmarschen des San Jacinto im Rücken. Santa Anas Pioniere hatten für den Train mit seinen zahlreichen Bagagefuhrwerken und Pferden ein befestigtes Lager mit Palisaden, Gräben und Geschützstellungen angelegt. Durch einen Gewaltmarsch zum Flussübergang bei Burnham Ford hatte meine Armee von sechshundert Mann jedoch die bewaldeten Ufer des Buffalo Bayou erreicht, unbemerkt von feindlichen Spähern. Der Angriff begann mit energischem Geschützfeuer aus dem texanischen Zentrum … Jetzt können wir die Bewegung der texanischen Kavallerie verfolgen … Der Schock des unerwarteten Infanterieangriffs aus der ungedeckten Flanke zwang den Feind zu überstürztem Rückzug und brachte seine Artillerie, die noch nicht … aufgeprotzt war, in völlige Unordnung.« Die blauen Vierecke und Rauten der Kinotrop-Darstellung verfolgten langsam die zurückweichenden, rot dargestellten mexikanischen Regimenter durch das unregelmäßig verteilte Grün und Weiß von Wäldern und Sümpfen. Sybil rückte auf ihrem Sitz herum, bemüht, den Druck ihres Reifrocks zu lindern. Houstons blutdürstige Prahlerei erreichte endlich einen Höhepunkt.
»Die endgültige Zählung der Gefallenen ergab zwei Texaner und sechshundertdreißig feindliche Soldaten. Die Niederlagen von Alamo und Goliad waren blutig gerächt, die mexikanische Armee völlig geschlagen! Wir erbeuteten zwanzig Kanonen und nahmen vierzehn Offiziere gefangen.«
Zwanzig Kanonen, vierzehn Offiziere – ja, das war
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