Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
wollen, ist Lord Scowcroft … In den schlimmen alten Zeiten war er einfach Jim Scowcroft, einer der populären Agitatoren, aber er machte seinen Frieden mit den Radikalen. Heute ist er reich und Parlamentsabgeordneter und so weiter: ein sehr geschäftstüchtiger Mann. Als ich mit meinen Plänen für den Zephyr zu Lord Scowcroft ging, sprach er zu mir genau so, wie Sie es eben taten: Tatsachen und Beweise. ›Meister Godwin‹, sagte er, ›ich kann Ihnen von den hart verdienten Beiträgen unserer Brüder keine Zuschüsse bezahlen, es sei denn, Sie zeigen mir schwarz auf weiß, wie es uns Gewinn einbringen kann.‹
Darauf sagte ich zu ihm: ›Euer Lordschaft, die Konstruktion von Dampfwagen ist einer der aussichtsreichsten Gewerbezweige im Land. Wenn wir nach Epsom gehen und unsere Maschine lässt die Konkurrenten hinter sich, werden die wohl habenden Leute nach dem berühmten Erzeugnis der Dampfmechanik Schlange stehen.‹ Und so wird es sein, Ned.«
»Wenn Sie das Rennen gewinnen«, versetzte Mallory.
Godwin nickte ernst. »Ich mache keine gusseisernen Versprechen. Ich bin Ingenieur; ich weiß recht gut, dass Eisen verbiegen und brechen, rosten und bersten kann. Sie wissen es sicherlich auch, Ned, denn Sie sahen mich Reparaturen an diesem verdammten Dampfpanzerwagen ausführen, bis ich glaubte, ich müsse verrückt werden … Aber ich kenne meine Zahlen. Ich kenne Druckdifferenziale und Kurbelwellendrall und Raddurchmesser. Wenn nicht ein Unglück geschieht, wird unser kleiner Zephyr an seinen Konkurrenten vorbeisausen, als stünden sie still.«
»Hört sich großartig an. Es freut mich für Sie.« Mallory trank sein Ale. »Nun sagen Sie mir, was passieren würde, wenn ein Unheil geschieht.«
Godwin lächelte. »Dann verliere ich und stehe mittellos da. Lord Scowcroft war großzügig, zumindest nach seiner eigenen Einschätzung, aber solch ein Projekt ist immer mit zusätzlichen Kosten verbunden. Ich habe alles in meine Maschine gesteckt: meinen Expeditionsbonus von der Royal Society, sogar eine kleine Erbschaft, die ich von einer Tante bekam, Gott hab sie selig.«
Mallory war erschrocken. »Alles?«
Godwin schmunzelte. »Nun, was ich weiß , kann man mir nicht nehmen, richtig? Ich werde immer noch mein Wissen und meine Fertigkeiten haben; vielleicht werde ich an einer weiteren Expedition der Royal Society teilnehmen. Sie zahlt nicht schlecht. Aber ich riskiere alles, was ich in England habe. Die Devise lautet Ruhm oder Hunger, Ned, und nichts dazwischen.«
Mallory strich sich den Bart. »Sie erschrecken mich, Mr. Godwin. Sie schienen immer ein praktisch denkender Mann zu sein.«
»Dr. Mallory, mein Publikum heute ist die Crème des Landes. Der Premierminister ist anwesend. Auch der Prinzgemahl wird unter den Zuschauern sein. Und Lady Ada Byron ist hier und wettet große Summen, wenn die Gerüchte zutreffen, die ich gehört habe. Wann werde ich wieder eine solche Chance haben?«
»Ich folge Ihrer Logik«, sagte Mallory, »aber ich kann nicht sagen, dass ich sie billige. Andererseits gestattet Ihnen Ihre Stellung im Leben das Eingehen eines derartigen Risikos. Sie sind nicht verheiratet, nicht wahr?«
Godwin trank von seinem Ale. »Sie auch nicht, Ned.«
»Nein, aber ich habe acht jüngere Brüder und Schwestern, einen sterbenskranken alten Vater, eine Mutter, die vom Rheumatismus verzehrt wird. Ich kann den Lebensunterhalt meiner Familie nicht verspielen.«
»Die Chance, dass Sie das tun, steht zehn zu eins, Ned. Es ist eine todsichere Sache! Die Wetten müssten fünf zu drei zugunsten unseres Zephyr stehen.«
Mallory sagte nichts. Godwin seufzte. »Es ist ein Jammer. Ich wollte einem guten Freund diesen Wettgewinn zukommen lassen. Einen großen Gewinn! Und ich selbst kann nicht auf meine Maschine setzen, verstehen Sie? Ich wollte es, aber ich habe mein letztes Pfund in die Vorbereitungen gesteckt.«
»Vielleicht ein bescheidener Einsatz«, meinte Mallory. »Um der Freundschaft willen.«
»Setzen Sie zehn Pfund für mich«, sagte Godwin plötzlich. »Zehn Pfund, als Anleihe. Wenn Sie verlieren, werde ich Ihnen den Betrag auf jeden Fall zurückzahlen. Wenn Sie gewinnen, werden wir uns heute Abend hundert Pfund teilen, halb und halb. Was sagen Sie? Werden Sie das für mich tun?«
»Zehn Pfund! Eine beträchtliche Summe …«
»Ich bin gut dafür.«
»Ich vertraue darauf …« Mallory sah keinen leichten Aus weg, der ihm erlaubt hätte, sich zu verweigern. Der Mann hatte Tom einen Platz im Leben
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