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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Berechnung von der Seite die Faust in die kurzen Rippen. Die verschleierte Frau krümmte sich und fiel zurück in ihren Sitz.
    Mallory fühlte sich zum Eingreifen verpflichtet. Er sprang an die Seite des Landauers und riss den lackierten Schlag auf. »Was hat das zu bedeuten?«, rief er.
    »Verschwinden Sie«, keifte die Prostituierte.
    »Ich sah Sie diese Dame schlagen. Wie können Sie es wagen?«
    Der Landauer setzte sich wieder in Bewegung und riss Mallory beinahe zu Boden. Er hatte sich rasch wieder gefasst, sprang vorwärts und ergriff den Arm der verschleierten Dame. »Halten Sie sofort an!«
    Die Frau erhob sich abermals. Unter dem schwarzen Schleier sah Mallory ein rundes, sanftes Gesicht, dessen Züge jedoch schlaff und träumerisch wirkten. Sie versuchte wieder auszusteigen, anscheinend ohne zu bemerken, dass der Wagen in Bewegung war. Sie konnte ihr Gleichgewicht nicht finden. Mit einer ganz natürlichen, damenhaften Geste reichte sie Mallory den langen hölzernen Kasten.
    Mallory stolperte neben dem Wagen her, den unhandlichen Kasten mit beiden Händen haltend. Zurufe erhoben sich aus der Menge, denn die unachtsame Fahrweise des Wagenlenkers hatte sie aufgebracht. Wieder kam der Landauer zum Stillstand; die Pferde schnaubten und stampften.
    Der Kutscher warf seine Peitsche beiseite und sprang herun ter. Zornbebend marschierte er auf Mallory zu und stieß einige der Umstehenden beiseite. Er zog eine eckig aussehende, rosa eingefärbte Brille aus der Tasche und schob sie über das pomadisierte Haar an den Ohren. Vor Mallory angelangt, nahm er die hängenden Schultern zurück und streckte eine in einem kanariengelben Handschuh steckende Hand mit gebieterischer Gebärde aus.
    »Geben Sie dieses Eigentum sofort zurück«, befahl er.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wiederholte Mallory.
    »Ich bekomme jetzt diesen Kasten, oder Sie werden es bereuen.«
    Mallory starrte den um einen guten Kopf kleineren Mann an, verblüfft über seine kühne Drohung. Er war nahe daran, laut zu lachen, wäre ihm nicht der unnatürliche Glanz der ruhelosen Augen hinter der rosa Brille aufgefallen, wie bei einem von Laudanum Besessenen.
    Mallory stellte den Kasten mit Bedacht zwischen seine lehmigen Stiefel. »Madam«, rief er, »steigen Sie aus, wenn Sie wollen. Diese Leute haben kein Recht, Sie zu zwingen …«
    Der Mann vor ihm griff in seinen grellblauen Anzug und sprang wie ein Schachtelmännchen auf ihn zu. Mallory wehrte ihn mit einem Stoß der offenen Hand ab und fühlte einen stechenden Schmerz an seiner linken Hüfte.
    Der andere stolperte zurück, fing sich und griff erneut an. In seiner Hand glänzte eine schmale Stahlklinge.
    Mallory war ein geübter Schüler von Mr. Shillingfords System wissenschaftlichen Boxens. In London übte er wöchentlich einmal in einer der von der Royal Society unterhaltenen privaten Turnhallen, und seine Monate in den Wildnissen Nordamerikas hatten ihn körperlich gestählt und abgehärtet.
    Er parierte den Messerarm mit der linken Handkante und trieb dem Kerl eine rechte Gerade ins Gesicht.
    Er gewann einen flüchtigen Blick auf das Stilett, das der Hand seines Gegners entfallen war und nun im zertrampelten Gras lag: eine gefährliche, schmale Stichwaffe mit doppelter Schneide und einem aus rotem Guttapercha gedrehten Griff. Dann war der Mann wieder auf ihm. Er blutete aus dem Mund, und sein Angriff bestand in einem wilden Keilen ohne Methode. Mallory nahm Shillingfords erste Kampfstellung ein und antwortete mit einer zweiten Geraden an den Kopf des Bösewichts.
    Die Menge, die beim ersten Wortwechsel und dem Aufblitzen der Stahlklinge zurückgewichen war, bildete jetzt einen Ring um die beiden Kämpfer. Es waren hauptsächlich Arbeiter und die Rennbahntypen, die von ihnen lebten – ein rauer, johlender Haufen, erfreut über die Gelegenheit, unter unerwarteten Umständen einen Zweikampf zu sehen. Als Mallory seinen Mann mit einem seiner besten Aufwärtshaken am Kinn traf, brachen sie in Beifallsgeschrei aus, fingen den Kerl auf, als er rückwärts in ihre Mitte fiel, und stießen ihn wieder auf Mallory zu, direkt in den nächsten Schlag. Der Stutzer ging zu Boden, Blut auf dem Anzug und der lachsfarbenen Seide seiner Krawatte.
    »Ich werde Sie vernichten!«, nuschelte er vom Boden aus. Einer seiner Zähne – ein Eckzahn, wie es schien – war blutig zersplittert.
    »Pass auf!«, rief jemand. Mallory wandte sich um. Die rothaarige Frau stand hinter ihm, ein dämonisches Licht in den Augen und

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