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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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italienischen Dampfwagens und vernebelte die unteren Reihen der Tribüne, wo eine leichte Panik entstand. Mallory ergriff die Gelegenheit, um davonzuhinken; die Polizisten, vielleicht gehalten, ihren Posten nicht zu verlassen, oder um die Sicherheit der Königlichen Einfriedung besorgt, verzichteten auf eine Verfolgung.
    Hinkend eilte er die Tribüne hinunter und verlor sich so bald als möglich in der Menge. Eine weitere Regung des Schutzinstinkts veranlasste ihn, seine gestreifte Mütze abzunehmen und in die Manteltasche zu stecken.
    Er fand einen einfachen Tribünenplatz in einer Bankreihe, weit entfernt von der Königlichen Einfriedung. Dort ließ er sich vorsichtig nieder und legte die Rosenholzkiste über die Knie. Der Riss in seinem Hosenbein war unbedeutend, aber die Wunde darunter schien tiefer zu sein, als er zunächst angenommen hatte; noch immer sickerte Blut heraus. Mallory verzog schmerzlich das Gesicht, als er sich niedersetzte, und drückte die Handfläche gegen die Wunde.
    »Verdammich«, sagte ein Mann auf der Bank hinter ihm, »dieser Fehlstart wird den Druck herabsetzen. Eine Sache der spezifischen Wärme. Es bedeutet, dass der größte Kessel mit Sicherheit gewinnt.«
    »Und der ist welcher?«, fragte der Gefährte des Sprechers, vielleicht sein Sohn.
    Der Mann blätterte in einem Programm mit technischen Ratschlägen für Wettlustige. »Das wird der Goliath sein, Lord Hansells Rennwagen. Mit dem gleichen Typ hat er schon letztes Jahr gewonnen …«
    Mallory spähte hinunter zur Rennbahn, die von den Pferdehufen aufgewühlt war. Der Lenker des italienischen Dampfwagens wurde auf einer Bahre fortgetragen, nachdem man ihn unter Schwierigkeiten aus der Beengtheit seines Fahrersitzes befreit hatte. Schmutziger Rauch stieg noch immer aus dem Riss im Kessel. Mechaniker spannten zum Abtransport Pferde vor das havarierte Fahrzeug.
    Weiße Dampfwolken stiegen aus den Schornsteinen der anderen Dampfwagen. Die Zacken aus poliertem Messing, die den Schornstein des Goliath krönten, waren besonders eindrucksvoll. Er stellte den schlanken, eigentümlich schwach aussehenden und obendrein durch Spanndrähte stabilisierten Schornstein von Godwins Zephyr völlig in den Schatten.
    »Ein schlechtes Omen!«, meinte der jüngere Mann. »Ich glaube, der geplatzte Kessel riss diesem armen Ausländer glatt den Kopf ab.«
    »Nichts dergleichen«, erwiderte der Ältere. »Der Kerl hatte einen feinen Helm.«
    »Er bewegt sich nicht, Sir.«
    »Wenn die Italiener auf technischem Gebiet nicht konkurrieren können, haben sie hier nichts verloren«, erklärte der ältere Mann streng.
    Anerkennendes Gebrüll erscholl aus der Menge, als der havarierte Dampfwagen von dem angestrengt ziehenden Pferde gespann abgeschleppt wurde. »Jetzt werden wir richtigen Rennsport sehen!«, sagte der ältere Mann.
    Mallory, der angespannt wartete, öffnete aus Nervosität den Rosenholzkasten; seine Daumen zogen wie von selbst an den kleinen Messinghaken. Das Innere, mit grünem Fries gefüttert, enthielt einen langen Stoß milchig weißer Lochkarten. Er zog eine aus der Mitte heraus. Es war eine Maschinenlochkarte nach der französischen Industrienorm und bestand aus einem verblüffend glatten, künstlichen Material. In einer Ecke war mit lila Tinte die handgeschriebene Notierung # 154.
    Mallory steckte die Karte sorgsam wieder an ihren Platz und schloss den Kasten.
    Eine Flagge wurde geschwenkt, und die Dampfwagen fuhren an.
    Der Goliath und der französische Vulcan gingen sogleich in Führung. Die unerwartete Verzögerung – die fatale Verzögerung, dachte Mallory, dem der Gedanke das Herz abdrückte – hatte den kleinen Kessel des Zephyr abkühlen lassen und ohne Zweifel zu einem entscheidenden Verlust an Dampfkraft geführt. Der Zephyr rollte im Kielwasser der größeren Wagen und holperte beinahe komisch in ihren tief eingedrückten Radspuren. Er schien keine rechte Zugkraft zu entwickeln.
    Mallory war nicht überrascht, sondern erfüllt von schicksalsschwerer Resignation.
    In der ersten Kurve begannen Vulcan und Goliath um die Führungsposition zu kämpfen. Die drei anderen Dampfwagen formierten sich in einer Reihe hinter ihnen. Der Zephyr hingegen fuhr völlig absurd auf der Außenbahn, weit außerhalb der Fahrspuren der anderen Dampfwagen. Meister Henry Chesterton, der Lenker des kleinen Fahrzeugs, schien den Verstand verloren zu haben. Mallory beobachtete das Manöver mit der betäubten Ruhe eines ruinierten Mannes.
    Plötzlich, kaum

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