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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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wahrscheinlich abgepresst wurden.
    Sie ist die Königin der Maschinen, die Zauberin der Zahl. Lord Babbage nannte sie die »Kleine Da«. Sie hat keine Position in der Regierung, und die kurze Blütezeit ihres mathematischen Genies liegt weit hinter ihr. Aber sie ist vielleicht das erste Bindeglied zwischen ihrem Vater, dem großen Redner der Industriellen Radikalen Partei, und Charles Babbage, der grauen Eminenz der Partei und des führenden Sozialtheoretikers.
    Ada ist die Mutter.
    Ihre Gedanken sind verschlossen.

DRITTE ITERATION
    Dunkle l aternen

S tellen wir uns Edward Mallory vor, wie er die prachtvolle Haupttreppe im Palast der Paläontologie ersteigt, deren massives Ebenholzgeländer von schmiedeeisernen Darstellungen uralter Baumfarne, Riesenschachtelhalmen und Ginkgos getragen wird.
    Nehmen wir an, dass er von einem Boten begleitet wird, der mit rotem Gesicht ein Dutzend in Glanzpapier eingeschlagene Pakete trägt, Früchte eines langen Nachmittags bedachtsam-methodischer Einkäufe. Wie Mallory die Treppe ersteigt, sieht er, dass Lord Owen seine massige Gestalt die Treppe herunterwuchtet, einen verdrießlichen Ausdruck in den wässrigen Augen. Die Augen des ehrwürdigen Reptilienanatomen erinnern Mallory an frisch geöffnete Austern, denen der Bart entfernt worden ist und die in ihrem Salzwassersaft schwimmen, bereit zum Verzehr. Mallory zieht den Hut. Owen murmelt etwas, das ein Gruß sein mag.
    Im ersten Geschoss erblickt Mallory eine Gruppe von Studenten, die bei den offenen Fenstern sitzen und mit ruhiger Stimme diskutieren, während abendliches Zwielicht sich auf die Urweltriesen aus Zement und Gips in den Gärten des Instituts herabsenkt.
    Eine leichte Brise bewegt die langen Leinenvorhänge …
    Mallory drehte sich vor dem Kleiderschrankspiegel nach links und nach rechts. Er knöpfte den Rock auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und brachte die Weste zur Geltung, die in einem Mosaik winziger blauer und weißer Quadrate gewebt war. Ada-Karo nannten die Schneider den Stoff, denn Lady Ada hatte das Muster kreiert, indem sie einen Jacquard-Webstuhl mittels einer Lochkarte programmiert hatte, reine Algebra zu weben. Die Weste machte vom ganzen Anzug am meisten her, dachte er, obwohl immer noch etwas fehlte, vielleicht ein Spazierstock. Er zog sein Zigarrenetui, klappte es auf und bot dem Herrn im Spiegel eine erstklassige Havanna an. Eine feine Geste, aber man konnte ein silbernes Zigarrenetui nicht wie einen Damenmuff herumtragen, nein, das musste eleganter geschehen.
    Aus dem Sprachrohr in der Wand neben der Tür drang ein scharfes, metallisches Klopfen. Er ging hinüber, öffnete den gummiberingten Messingdeckel. »Mallory hier!« blaffte er gebückt in die Öffnung. Die Stimme des Empfangschefs drang fern und hohl herauf, geisterhaft. »Ein Besucher für Sie, Dr. Mallory! Soll ich seine Karte hinaufschicken?«
    »Ja, bitte!« Mallory, unvertraut mit dem Verschluss der Rohrpost, fummelte an dem Mechanismus herum. Ein Zylin der aus schwarzem Guttapercha schoss, wie aus einem Gewehr abgefeuert, aus der Röhre und schlug gegen die Wand auf der anderen Seite. Mallory begriff, dass er den Verschluss zu früh geöffnet hatte, doch als er hinübereilte, um die Sendung aufzuheben, bemerkte er ohne große Überraschung, dass die Tapete dort bereits mit Dellen bedeckt war; anderen war also der gleiche Fehler unterlaufen. Er schraubte den Deckel vom Zylinder und schüttelte den Inhalt heraus. Mr. Laurence Oliphant war auf den beigefarbenen, satinierten Karton gedruckt, Autor und Journalist. Darunter eine Adresse in Piccadilly und eine Telegrammnummer. Ein Journalist von einigem Anspruch, nach seiner Karte zu urteilen. Ein vage vertrauter Name. Hatte er irgendwo etwas von Oliphant gelesen? Er drehte die Karte um und betrachtete das maschinell aus Punkten zusammengesetzte Porträt eines blonden Herrn mit hoher Stirn, großen Spanielaugen, einem spöttischen kleinen Lächeln und einem Kinnbart. Durch diesen Bart und die hohe Stirn sah Mr. Oliphants schmaler Schädel so lang wie der eines Iguanodons aus.
    Mallory legte die Karte in sein Notizbuch und sah sich im Zimmer um. Sein Bett war übersät mit seinen Einkäufen: Rechnungen, Einwickelpapier, Schachteln und dergleichen.
    »Bitte teilen Sie Mr. Oliphant mit, dass ich zu ihm ins Foyer kommen werde!«
    Rasch füllte er die Taschen seiner neuen Hosen, verließ sein Zimmer, sperrte die Tür ab und schritt den Korridor entlang, vorbei an weißen Wänden aus

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