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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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narbigem Kalkstein, eingerahmt von Pilastern aus dunklem Marmor. Seine neuen Schuhe knarrten bei jedem Schritt.
    Mr. Oliphant, unerwartet langbeinig und ebenso elegant wie kostspielig gekleidet, lehnte mit dem Rücken am Tresen des Empfangs, die Ellbogen auf die marmorne Deckplatte gestützt und die Füße übereinandergeschlagen. Seine lässige Haltung vermittelte das Bild eines sportlichen Herren in der Pose gelassener Überlegenheit. Mallory hatte genug Journalisten kennengelernt, die in ihre Artikel über den großen Leviathan alles Mögliche hineingepackt hatten, nur nicht das, was er ihnen zuvor geduldig erläutert hatte, und war inzwischen von einer gesunden Skepsis gegenüber diesem Berufsstand erfüllt; dieser Bursche aber strahlte das glatte Selbstbewusstsein eines Mannes aus, der sich im Vorteil weiß.
    Mallory stellte sich vor und entdeckte sehnige Stärke in der langfingrigen Hand des Journalisten.
    »Ich bin in der Angelegenheit der Geographischen Gesell schaft gekommen«, erklärte Oliphant laut genug, um von eini gen Gelehrten gehört zu werden, die unweit von ihnen in einer Gruppe beisammenstanden. »Forschungskomitee, verstehen Sie. Ich hätte Sie gern in einer bestimmten Sache konsultiert, Dr. Mallory.«
    »Gewiss, gern«, sagte Mallory. Die Königliche Geographische Gesellschaft war reichlich mit Mitteln ausgestattet; ihr mächtiges Forschungskomitee entschied über Bewilligungen und ihre Empfänger.
    »Darf ich vorschlagen, dass wir unter vier Augen sprechen, Sir?«
    »Selbstverständlich.« Mallory führte den Journalisten in den Salon, wo sie einen ruhigen Winkel bei einem lackierten chinesischen Wandschirm fanden. Mallory hob seine Rockschöße und setzte sich. Oliphant ließ sich auf dem Ende einer mit roter Seide bezogenen Couch nieder, den Rücken zur Wand. Er blickte aufmerksam umher, und Mallory erkannte, dass er nach Lauschern Ausschau hielt.
    »Sie kennen sich hier aus«, sagte er. »Sind Sie im Auftrag Ihres Komitees öfters hier?«
    »Nicht oft, nein, obwohl ich hier einmal mit einem Ihrer Kollegen zusammengekommen bin, einem Professor Francis Rudwick.«
    »Ach ja, Rudwick. Armer Kerl.« Mallory war ein wenig verdrießlich, aber nicht überrascht, einen von Rudwicks Bekannten kennenzulernen. Rudwick hatte kaum jemals eine Gelegenheit verpasst, Forschungsmittel von Stiftungen und Institutionen gleich welcher Art zusammenzuscharren.
    Oliphant nickte nüchtern. »Ich bin kein Gelehrter, Dr. Mal lory. In Wirklichkeit bin ich ein Verfasser von Reisebüchern. Trivialitäten, um die Wahrheit zu sagen, obwohl sie mir ein gewisses Maß an öffentlicher Gunst eingebracht haben.«
    »Ich verstehe«, sagte Mallory, überzeugt, dass er jetzt wusste, mit wem er es zu tun hatte: mit einem reichen Müßiggänger, einem Dilettanten. Sehr wahrscheinlich hatte er Familienverbindungen. Die meisten dieser ehrgeizigen Pfuscher waren für die Wissenschaft wertlos.
    »Innerhalb der Geographischen Gesellschaft, Dr. Mallory«, begann Oliphant, »wird gegenwärtig eine intensive Diskussion über den uns gemäßen Wirkungskreis geführt. Sie sind sich vielleicht der Kontroverse bewusst?«
    »Ich war längere Zeit in Übersee«, sagte Mallory, »und habe die Neuigkeiten nicht verfolgen können.«
    »Ohne Zweifel waren Sie vollauf mit Ihrer eigenen wissenschaftlichen Kontroverse beschäftigt.« Oliphants Lächeln war entwaffnend. »Katastrophe gegen Uniformität. Rudwick sprach oft darüber. Ziemlich heftig, muss ich sagen.«
    »Ein schwieriges Geschäft«, murmelte Mallory, »ziemlich abstrus …«
    »Ich persönlich fand Rudwicks Argument schwach«, sagte Oliphant beiläufig zu Mallorys angenehmer Überraschung. Der Journalist beugte sich mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit näher. »Erlauben Sie mir, den Zweck meines Besuches genauer zu erklären, Dr. Mallory. Innerhalb der Geografischen Gesellschaft gibt es eine Strömung, die die Ansicht vertritt, dass die Gesellschaft besser beraten wäre, die Ursprünge unserer eigenen Gesellschaft zu untersuchen, als sich in den afrikanischen Busch zu stürzen, um die Quellen des Nils zu entdecken. Warum die Forschung auf physikalische Geografie beschränken, wenn es so viele Probleme der politischen und, ja, moralischen Geografie gibt, die bislang ungelöst sind?«
    »Interessant«, sagte Mallory, der nun erst recht nicht wusste, worauf sein Besucher hinauswollte.
    »Was würden Sie als ein bedeutender Forscher und Entdecker zu einem Vorschlag folgender Art sagen?«,

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