Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
abwärts zu Telegrafenmasten, deren Menge an die Schiffsmasten und Takelagen in einem geschäftigen Hafen denken ließ.
Mallory überquerte den klebrig heißen Asphalt der Horseferry Road, auf der Hut vor dem Kotregen der Tauben, die zu Hunderten auf den Drähten saßen.
Die festungsähnlichen Türen des Amtsgebäudes, eingerahmt von Säulen mit Lotuskapitellen und anglisierten Bronzesphinxen, ragten annähernd sieben Meter hoch. In ihre Ecken waren kleinere Türen für den alltäglichen Besucherverkehr eingelassen. Mit finsterer Miene schritt Mallory in kühles Dämmerlicht und den schwachen, aber durchdringenden Geruch von Lauge und Leinsamenöl. Die schwüle Hitze des Tages drang nicht hier herein, aber das verdammte Monstrum hatte keine Fenster. Gaslampen in ägyptisierenden Fassungen zischten in fächerförmigen Reflektoren aus poliertem Zinn.
Er ging zum Empfangsschalter und wies seine Bürgerkarte vor. Der Angestellte – oder vielleicht war er eine Art Polizist, denn er trug eine neumodische amtliche Uniform von seltsam militärischem Schnitt – notierte Mallorys Ziel, nahm einen maschinengedruckten Grundrissplan des Gebäudes aus einem Schubfach und markierte Mallorys Route mit roter Tinte.
Mallory, dessen Laune nach der morgendlichen Zusammenkunft mit dem Nominierungsausschuss der Geographischen Gesellschaft noch getrübt war, dankte dem Mann ziemlich brüsk. Irgendwie – er wusste nicht, an welchen Fäden hinter der Bühne gezogen worden war, aber das Komplott war klar genug – hatte sich Foulke in den Nominierungsausschuss der Geographischen Gesellschaft manövriert. Foulke, dessen aquatisch-amphibische Theorie vom Brontosaurus von Huxleys Museum verworfen worden war, hatte Mallorys Hypothese von der Baumbeweidung als einen persönlichen Angriff genommen, mit dem Ergebnis, dass eine normalerweise angenehme Formalität zu einem weiteren öffentlichen Tribunal zur Verurteilung der Katastrophentheorie geworden war. Mallory hatte schließlich doch seine Mitgliedschaft bekommen, denn Oliphant hatte den Boden zu gut vorbereitet, als dass Foulkes Überfall in letzter Minute hätte Erfolg haben können, aber der Vorfall nagte weiter in ihm. Er spürte, dass die Auseinandersetzung seinem Ruf geschadet hatte. Dr. Edward Mallory – »Leviathan-Mallory«, wie die Boulevardpresse ihn beharrlich nannte – war als fanatisch, sogar kleinlich hingestellt worden. Und dies vor ehrwürdigen Geografen ersten Ran ges, Männern wie Burton, dem Erforscher Arabiens, und Elliot, der als erster Weißer den Kongo befahren hatte.
Mallory folgte der vorgezeichneten Route und murmelte verdrießlich in seinen Bart. Das Kriegsglück in den Auseinandersetzungen der gelehrten Welt, dachte Mallory, hatte ihn nie so begünstigt wie Thomas Huxley. Huxleys Fehden hatten ihn als einen Hexenmeister der Debatte ausgezeichnet, während Mallory rufschädigende Angriffe über sich ergehen lassen musste und gezwungen war, durch dieses gasbeleuchtete Mausoleum zu irren, wo er hoffte, einen verabscheuungswürdigen Zuhälter zu identifizieren.
Nachdem er die erste Biegung hinter sich gebracht hatte, entdeckte er ein marmornes Basrelief, das die mosaische Plage der Frösche darstellte, die immer zu seinen bevorzugten biblischen Geschichten gehört hatte. Als er bewundernd stehen blieb, wurde er beinahe von einem stählernen Transportwagen, der mit Kästen voller Lochkarten hoch beladen war, über den Haufen gefahren.
»Bahn frei!«, rief der Kärrner, ein junger Mann mit Messingknöpfen und der Schirmmütze eines Boten. Mallory sah verblüfft, dass der Mann Stiefel mit Rädern trug, stabile Schnürstiefel, deren Sohlen mit Miniaturachsen und speichenlosen Gummirädern ausgestattet waren. Der Mann sauste in beängstigendem Tempo durch den Korridor, steuerte dabei fachmännisch den schweren Wagen und verschwand um eine Ecke.
Mallory passierte einen mit gestreiften Sägeböcken abgesperrten Seitenkorridor, wo zwei allem Anschein nach Verrückte im Zwielicht der Gasbeleuchtung langsam auf allen vieren herumkrochen. Mallory glotzte. Die Kriecher waren dickliche Frauen mittleren Alters, die vom Hals bis zu den Füßen in fleckenlosem Weiß steckten und ihr Haar unter anliegenden, elastischen Mützen versteckt hatten. Noch während er dastand und starrte, erhob sich eine der beiden schwerfällig auf die Beine und begann, die Decke vorsichtig mit einem Schwamm oder Mopp an einer Teleskopstange zu wischen.
Putzfrauen.
Er folgte seiner Wegweisung zu
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