Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Aufziehrahmen, Fischleim-Farbschlüssel, Lupen, Pin zetten mit feinen Gummispitzen und Messinstrumente. Mallory sah die vertraute Arbeit mit einem angenehmen Gefühl von Ermutigung.
QK -50 stand unter der Leitung des Untersekretärs für Quantitative Kriminologie, dessen Name Oliphant ihm mit Wakefield angegeben hatte.
Mr. Wakefield besaß keinen Schreibtisch, oder besser gesagt, sein Schreibtisch hatte sein gesamtes Büro umfasst und verschlungen und Wakefield arbeitete aus seiner Mitte heraus. Arbeitsflächen ließen sich dank eines einfallsreichen Systems von Scharnieren aus den Wänden klappen und wieder darin unterbringen, dass sie wie Teile der Vertäfelung aussahen. Es gab ein umfangreiches Lochkartenarchiv in Einbauschränken, Zeitschriftenständer, Kataloge, Codebücher, Anleitungen für Locher, eine Weltzeituhr mit vielen Zifferblättern, drei Telegrafenapparate, deren vergoldete Nadeln das Alphabet austickten, und Lochstanzen, die geschäftig die Papierstreifen der Telegrafenapparate verarbeiteten.
Wakefield selbst war ein blasser Schotte mit blondem Haar und Geheimratsecken. Sein Blick war, wenn nicht ausweichend, so doch extrem unstet. Ein ausgeprägter, terminologisch auch als Prognathie bekannter Überbiss kerbte seine Unterlippe.
Mallory hatte den Eindruck, dass er ein sehr junger Mann für seine Position sei, vielleicht erst vierzig. Zweifellos war Wakefield mit den Dampfrechnern und Lochkarten aufgewachsen. Babbages erste Maschine, heute ein vielbeachtetes Museumsstück, war noch keine dreißig Jahre alt, aber die raschen Fortschritte dieser Technik hatten eine ganze Generation in ihren Bann gezogen.
Mallory stellte sich vor. »Ich bedaure meine Säumigkeit, Sir. Ich kam mir in Ihren Hallen ein wenig verloren vor.«
Das war für Wakefield nichts Neues. »Darf ich Ihnen Tee anbieten? Wir haben auch eine sehr feine Sandtorte.«
Mallory schüttelte den Kopf, zog sein Zigarrenetui und öffnete es mit einer Verbeugung. »Rauchen Sie?«
Wakefield hob abwehrend beide Hände. »Nein! Nein, danke. Die Feuergefahr wäre zu groß, es wäre ein schwerer Verstoß gegen die Bestimmungen.«
Mallory steckte das Etui verdrießlich weg. »Verstehe. Aber ich sehe keine wirkliche Gefahr in einer guten Zigarre.«
»Asche!«, sagte Wakefield. »Und im Rauch enthaltene Partikel! Sie schweben in der Luft, verschmutzen das feine Maschinenöl und die Getriebe. Und das Auseinandernehmen und Reinigen der Maschinen, die wir hier haben – nun, ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass das eine Sisyphusarbeit ist, Dr. Mallory.«
»Gewiss, das sehe ich ein«, murmelte Mallory. Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie Sie wissen werden, bin ich Paläontologe, aber ich habe selbst gewisse Erfahrungen im Lochen. Wie viele Getriebemeter drehen Sie hier?«
»Meter? Wir messen hier Kilometer, Dr. Mallory.«
»Wahrhaftig! So viel Energie?«
»So viel Ärger, könnte man genauso sagen«, antwortete Wakefield mit einer knappen Bewegung seiner weiß behandschuhten Hand. »Durch die Drehungsreibung baut sich Hitze auf, die das Messing ausdehnt und das saubere Ineinandergreifen der Zahnräder behindert. Bei feuchtem Wetter gerinnt das Maschinenöl – und bei trockenem Wetter kann eine laufende Maschine sogar eine kleine Leyden-Aufladung erzeugen, die alle Arten von Schmutz und Fremdkörpern anzieht! Die Getriebe verkleben und blockieren, Lochkarten verklemmen sich in den Magazinen.« Wakefield seufzte. »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sich auszahlt, jede Vorsichtsmaßnahme in Reinlichkeit, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu ergreifen. Selbst unser Teekuchen wird speziell für das Amt gebacken, um die Krümelgefahr zu verringern!«
Die Bezeichnung »Krümelgefahr« kam Mallory ziemlich komisch vor, aber Wakefield brachte sie mit so nüchterner Sachlichkeit vor, dass offensichtlich kein Scherz beabsichtigt war. »Haben Sie Colgates Essigreiniger versucht?«, fragte Mallory. »In Cambridge schwören sie darauf.«
»Ach ja«, sagte Wakefield gedehnt, »das liebe alte Institut für Maschinenanalytik. Ich wünschte, wir könnten uns das gemächliche Arbeitstempo der Akademiker leisten! In Cambridge verhätscheln sie ihr Messing, aber hier im öffentlichen Dienst müssen wir die umfangreichsten Programme durchlaufen lassen, bis sich die Dezimalhebel verbiegen.«
Mallory, der erst kürzlich das Institut besucht hatte, war auf dem Laufenden und entschlossen, es zu zeigen. »Haben Sie von den neuen Kompilatoren in
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