Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Loseblattverzeichnis nach. »Selten, und deshalb fiel es mir auf. Das sollte nützlich sein. In der Anthropometrie sind sie verliebt in Schädel.« Tobias nahm die Karten, ließ sie in einen Schlitz fallen und zog einen Glockenstrang. Es gab ein lautes Gebimmel, und einen Augenblick später kam ein Locher, um die Karten abzuholen.
»Was nun?«, fragte Mallory.
»Wir warten, bis sie durchgelaufen sind«, sagte der andere.
»Wie lange?«
»Es dauert immer doppelt so lang, wie man denkt«, erklärte Tobias und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Selbst wenn Sie Ihre Schätzung verdoppeln. Es ist wie ein Naturgesetz.«
Mallory nickte. Die Verzögerung ließ sich nicht vermeiden und mochte nützlich sein. »Arbeiten Sie schon lange hier, Mr. Tobias?«
»Noch nicht lange genug, um den Verstand zu verlieren.«
Mallory schmunzelte.
»Sie denken, ich mache Witze?«, wollte Tobias wissen.
»Nun, warum arbeiten Sie hier, wenn Sie es so verabscheuen?«
»Jeder, der einen Funken Verstand hat, verabscheut es«, sagte Tobias. »Natürlich, es ist hier ein feines Arbeiten, wenn Sie in den oberen Stockwerken sitzen und einer von den großen Herren sind.« Er zeigte mit dem behandschuhten Daumen diskret zur Decke. »Was auf mich natürlich nicht zutrifft. Aber hauptsächlich sind für die Arbeit kleine Leute nötig. Uns brauchen sie zu Hunderten. Wir kommen und gehen. Zwei Jahre von dieser Arbeit, vielleicht drei, dann sind die Augen und die Nerven hinüber. Man kann regelrecht verrückt werden, wenn man immer diese kleinen Löcher anstarrt. Verrückt wie eine tanzende Haselmaus.« Er steckte die Hände in seine Schürzentaschen. »Sie sehen uns kleine Handlanger alle gleich gekleidet, wie weiße Tauben, und ich wette, Sir, Sie glauben, wir seien innen auch alle gleich! Aber das sind wir nicht, Sir, absolut nicht. Sehen Sie, in Großbritannien gibt es nur so viele Leute, die lesen und schreiben und buchstabieren und addieren können, wie es hier benötigt wird. Die meisten, die das können, sehen sich nach besserer Arbeit um, wenn sie irgend können. Also bleiben dem Amt die … nun … unentschlossenen, unsteten Leute.« Tobias lächelte dünn. »Man hat sogar schon Frauen eingestellt. Näherinnen, die ihre Arbeitsplätze an Strickmaschinen verloren hatten. Die Regierung lernte sie an, Lochkarten zu lesen und zu verarbeiten. Sehr gut in der Kleinarbeit, die ehemaligen Näherinnen.«
»Scheint mir eine seltsame Politik zu sein«, meinte Mallory.
»Der Druck der Umstände. Die Natur des Geschäfts. Haben Sie schon einmal für Ihrer Majestät Regierung gearbeitet, Mr. Mallory?«
»In gewisser Weise«, antwortete Mallory. Er hatte für die Freihandelskommission der Royal Society gearbeitet. Er hatte ihren patriotischen Reden geglaubt, ihren Versprechen von Einfluss hinter den Kulissen. Und als sie fertig mit ihm waren, hatten sie die Verbindung zu ihm gekappt und ihn sich selbst überlassen. Eine Privataudienz mit Lord Galton, dem Vorsitzenden der Kommission, ein warmer Händedruck, der Aus druck »tiefen Bedauerns«, dass es »keine offene Anerkennung Ihrer mutigen Dienste geben könne …« Und das war alles. Nicht einmal einen unterzeichneten Fetzen Papier hatte er bekommen.
»Was für Regierungsarbeit?«, fragte Tobias ungeniert.
»Nun, haben Sie schon den sogenannten Land-Leviathan gesehen?«
»Im Museum«, antwortete Tobias. »Brontosaurus wird er genannt, ein Reptilienelefant. Hatte seine Zähne im Ende des Rüssels. Das Tier fraß Bäume.«
»Ich sehe, Sie sind gut informiert, Mr. Tobias.«
»Dann sind Sie Leviathan-Mallory, der berühmte Gelehrte?« Tobias errötete heftig.
Eine Glocke läutete. Tobias sprang auf und zog ein im Zickzack gefaltetes Papier aus einer Wandöffnung.
»Wir haben Glück, Sir. Der männliche Verdächtige ist gefunden. Ich sagte Ihnen ja bereits, die Besonderheit des Schädels würde helfen.« Tobias breitete das Papier vor Mallory auf dem Tisch aus.
Es war eine Sammlung von Maschinenporträts, zusammengesetzt aus gedruckten Punkten. Dunkelhaarige Engländer mit Galgenvogelgesichtern. Die kleinen viereckigen Punkte, aus denen die Maschine ihre Wiedergaben zusammensetzte, waren gerade groß genug, dass sie die Gesichter ein wenig verzerrten; alle abgebildeten Männer schienen schwarzen Speichel in den Mundwinkeln und Schmutz in den Augenwinkeln zu haben. Sie sahen alle wie Brüder aus, wie eine sonderbare menschliche Unterart der Gestrauchelten und Enttäuschten. Die Porträts
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