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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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Sie schienen es beinahe augenblicklich zu wissen, Mr. Fraser! Wie kann das sein?«
    »Traurige Erfahrung, Sir. Ich kenne diese Worte, die Sie gebrauchen, ich kenne diesen verehrungsvollen Ton – ›die Interessen einer sehr hochgestellten Dame‹.« Fraser ließ seinen Blick durch den Park wandern und fasste die Menschen auf den geschwungenen Bänken aus Teakholz und Gusseisen ins Auge: Männer mit offenen Kragen, Frauen mit roten Gesich tern, die sich Luft zufächelten, ermattete Horden von Stadt kindern, die in der stinkenden Hitze rote Augen bekommen und ihre Lebhaftigkeit verloren hatten. »Die Herzoginnen und Fürstinnen der alten Ordnung mussten alle erleben, wie ihre feinen Landsitze in der Zeit der Umwälzung niedergebrannt wurden. Was unter der neuen Ordnung nach oben gekommen ist, mag Allüren an den Tag legen, aber niemand nennt sie ›große Damen‹, obwohl sie den alten Adel nachzuahmen suchen, es sei denn, man bezieht sich auf die Königin selbst – oder auf unsere sogenannte Königin der Maschinen.«
    Er stieg achtsam über den kleinen gefiederten Leichnam eines Staren, der auf dem Kiesweg lag, die Flügel ausgebreitet, die kleinen runzligen Krallenfüße in die Luft gestreckt. Ein paar Schritte weiter mussten die beiden ihren Schritt verlangsamen, um sich durch fünfzehn oder zwanzig tote Vögel ihren Weg zu suchen. »Vielleicht beginnen Sie am besten mit dem Anfang, Sir. Mit dem verstorbenen Mr. Rudwick und dieser Geschichte.«
    »Nun gut.« Mallory wischte sich den Schweiß vom Gesicht; sein Taschentuch war danach gesprenkelt mit Rußflecken. »Ich bin Paläontologe und ein treuer Anhänger der Radikalen Partei. Ich komme aus einer bescheidenen Handwerkerfamilie, aber dank den Maßnahmen und Reformen der Radikalen konnte ich studieren und promovieren. Ich unterstütze meine Regierung als loyaler Bürger.«
    »Fahren Sie fort«, sagte Fraser.
    »Ich verbrachte zwei Jahre in Südamerika bei Ausgrabungen mit Lord Loudon, betrachtete mich selbst jedoch nicht als einen führenden Wissenschaftler meines Fachs. Als ich die Gelegenheit bekam, eine eigene Expedition zu führen, die großzügig finanziert wurde, nahm ich sie wahr. Und genauso, erfuhr ich später, machte es aus ähnlichen Gründen der arme Francis Rudwick.«
    »Sie beide nahmen das Geld von der Freihandelskommission der Royal Society.«
    »Nicht nur Geld, sondern auch Anweisungen, Mr. Fraser. Ich brachte fünfzehn Männer über die amerikanische Grenze. Wir suchten Fundstätten, gruben Knochen aus und machten eine große Entdeckung. Aber wir schmuggelten auch Waffen zu den Rothäuten, um ihnen zu helfen, sich die Yankees vom Hals zu halten. Wir machten Landvermessungen, kartografierten Routen von Kanada hinunter Richtung Süden. Wenn es eines Tages zum Krieg zwischen Großbritannien und Amerika kommt …« Mallory brach ab.
    »Nun, in Amerika herrscht bereits Krieg, nicht wahr? Wir stehen auf der Seite der Konföderation des Südens, wenn wir auch dem Namen nach neutral sind.«
    »Sie hatten keine Ahnung, dass Rudwick durch diese geheimen Aktivitäten in Gefahr sein könnte?«
    »Gefahr? Selbstverständlich gab es Gefahr. Aber nicht daheim in England … Ich war in Wyoming, als Rudwick hier ermordet wurde; ich wusste nichts davon, bis ich in Kanada darüber las. Es war ein Schock für mich … Ich hatte mit Rudwick über theoretische Fragen erbittert gestritten, und ich wusste, dass er Grabungen in Mexiko vorgenommen hatte. Dagegen wusste ich nicht, dass er und ich ein Geheimnis teilen. Ich hatte keine Ahnung, dass auch Rudwick für die Freihandelskommission Waffen geschmuggelt hatte; ich wusste nur, dass er auf unserem Fachgebiet Bedeutendes leistete.« Mallory seufzte in die übel riechende Luft. Seine eigenen Worte überraschten ihn: Er hatte diese Dinge niemals zuvor zugegeben, nicht einmal sich selbst gegenüber. »Ich glaube, ich beneidete Rudwick sogar. Er war in mancher Weise mein Senior, und er war ein Schüler von Buckland.«
    »Buckland?«
    »Einer der größten Männer unseres Fachs. Er ist inzwischen auch gestorben. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich kannte Rudwick nicht gut. Er war ein unangenehmer Mensch, hochmütig und kalt im Umgang mit Fachkollegen und Studenten. Am besten war er, wenn er in Übersee seinen Forschungen nachging, weit entfernt von anständiger Gesellschaft.« Mallory wischte sich den Nacken. »Als ich las, dass er in einem übel beleumundetem Haus im Streit erstochen worden war, war ich weniger überrascht,

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