Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
entschuldigen und ihm sagen … ihm sagen, dass ich kein mörderischer Unhold bin?«
    »Die Regierung wird nicht zulassen, dass ein prominenter Gelehrter in dieser Art belästigt wird«, versicherte ihm Fraser. »Morgen wird der Polizeipräsident eine Erklärung an die Royal Society herausgeben, aus der hervorgehen wird, dass Sie das Opfer bösartiger Verleumdung und frei von jedem Verdacht in der Rudwick-Affäre sind.«
    Mallory rieb sich das Kinn. »Meinen Sie, das wird helfen?«
    »Falls erforderlich, werden wir auch eine öffentliche Erklärung an die Tagespresse geben.«
    »Aber könnte solche Publizität nicht noch mehr Misstrauen gegen mich wecken?«
    Fraser rückte ein wenig in seinem Bibliothekssessel hin und her. »Dr. Mallory. Meine Abteilung wurde ins Leben gerufen, um Verschwörungen aufzudecken und zu zerschlagen. Wir sind nicht ohne Erfahrung. Wir sind nicht ohne unsere Hilfsquellen. Wir werden uns nicht von irgendeiner schäbigen Clique von Dunkelmännern übertrumpfen lassen. Wir haben die Absicht, diese Verschwörer mit Stumpf und Stiel auszurotten, und das wird uns umso eher gelingen, Sir, wenn Sie offen mit mir sind und mir alles sagen, was Sie wissen.«
    Mallory lehnte sich zurück. »Es liegt in meiner Natur, offen zu sein, Mr. Fraser. Aber hier handelt es sich um eine finstere und skandalöse Geschichte.«
    »Sie brauchen sich nicht um meine Empfindlichkeit zu sorgen.«
    Mallory blickte in die Runde der Mahagoni-Bücherregale, der Zeitungsständer, der ledergebundenen Folianten und übergroßen Atlanten. Nach dem gestrigen Zwischenfall war ihm der Palast der Paläontologie als eine willkommene Festung erschienen, aber nun kam er ihm vor wie der Fluchtgang eines Dachses: »Dies ist nicht der Ort, es zu erzählen«, murmelte er.
    »Nein, Sir«, stimmte Fraser zu. »Aber Sie sollten genauso wie sonst Ihrer wissenschaftlichen Arbeit nachgehen. Zeigen Sie sich unbeeinflusst und gleichmütig, und Ihre Feinde werden vielleicht denken, dass ihre Strategie gescheitert sei.«
    Der Rat war vernünftig. Jedenfalls war es eine naheliegende Verhaltensregel. Er stand unwillkürlich auf. »Meinen täglichen Geschäften nachgehen, meinen Sie? Ja, das will ich meinen. Ganz recht.«
    Auch Fraser erhob sich. »Ich werde Sie begleiten, Sir, mit Ihrer Erlaubnis. Ich vertraue darauf, dass wir Ihren Schwierigkeiten bald ein Ende machen werden.«
    »Vielleicht würden Sie nicht so denken, wenn Sie Einblick in die ganze verdammte Geschichte hätten«, versetzte Mallory.
    »Mr. Oliphant hat mich über die Angelegenheit informiert.«
    »Das bezweifle ich«, grunzte Mallory. »Er hat gegen das Schlimmste davon die Augen verschlossen.«
    »Ich bin kein verdammter Politiker«, bemerkte Fraser in seinem gleichmütigen Ton. »Gehen wir also, Sir?«
    Draußen war der Londoner Himmel ein Baldachin aus gelbem Dunst. Er hing in trüber Größe über der Stadt wie eine sturmfleischige, gallertartige Seeblase. Ihre Nesselfäden, der emporsteigende Schmutz aus den Schornsteinen der Stadt, drehten und kräuselten sich wie Kerzenrauch in vollkommener Windstille, um sich an der Wolkendecke auszubreiten. Die unsichtbare Sonne verbreitete wässriges Licht.
    Mallory beobachtete die Straße um ihn herum. Der Londoner Sommermorgen wirkte fremdartig durch die unheimliche Fülle des rußigen bernsteinfarbenen Lichtes.
    »Mr. Fraser, Sie sind in London geboren und aufgewachsen, nehme ich an.«
    »Ja, Sir.«
    »Haben Sie jemals Wetter wie dieses erlebt?«
    Fraser blinzelte zum Himmel, überlegte. »Nicht seit meiner Jungenzeit, Sir, als der Kohlenrauch schlimm war. Aber inzwischen wurden die Schornsteine erhöht. Heutzutage wird es in das Umland hinausgeweht.« Er hielt inne. »Das meiste.«
    Mallory betrachtete fasziniert die flachen Wolkenunterseiten. Er wünschte, er hätte sich mehr mit der Lehre der Pneumo-Dynamik beschäftigt. Dieser Topfdeckel einer statischen Wolkendecke zeigte einen ungesunden Mangel an natürlicher Turbulenz, als ob die dynamische Systematik des atmosphärischen Luftaustauschs irgendwie zum Stillstand gekommen wäre. Die stinkende Untergrundbahn, die halb ausgetrocknete, durch Abwässer verdickte Themse, und nun dies. »Scheint nicht so heiß wie gestern«, murmelte er.
    »Die Wolkendecke, Sir.«
    Auf den Straßen herrschte ein enormes Gedränge; die Omnibusse und Dampfwagen, die Fuhrwerke, Droschken und Kutschen stauten sich an jeder Kreuzung. Kutscher fluchten, Pferde schnauften mit geblähten Nüstern. Dampfwagen

Weitere Kostenlose Bücher