Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
als man vielleicht meinen würde.«
»Wissen Sie, ob Rudwick mit Ada Byron bekannt war?«
»Nein«, sagte Mallory, überrascht. »Das heißt, ich weiß es nicht. Er und ich nahmen unter den Gelehrten keinen so hohen Rang ein, dass wir in Lady Adas Kreise gekommen wären. Vielleicht begegneten sie einander irgendwo einmal, aber ich denke, ich hätte davon gehört, wenn sie ihn begünstigt hätte.«
»Er war brillant, sagten Sie.«
»Ja, aber nicht galant.«
Fraser wechselte das Thema. »Oliphant scheint zu glauben, dass Rudwick von den Texanern getötet wurde.«
»Ich weiß nichts von Texanern«, erwiderte Mallory. »Wer weiß etwas über Texas? Eine verdammte Wildnis jenseits des Ozeans! Wenn die Texaner den armen Rudwick umbrachten, sollte die Kriegsmarine ihre Häfen zur Vergeltung beschießen, oder etwas in der Art.« Er schüttelte den Kopf. Die ganze Geschichte, die ihm einmal so wagemutig und klug vorgekommen war, schien jetzt ruhmlos und unsauber, nicht viel besser als ein mieser Betrug. »Wir waren töricht, uns auf die Bedingungen der Freihandelskommission einzulassen, Rudwick und ich. Wir machten uns zu Handlangern der reichen Industriellen und Politiker, die zusammen einen Plan zur Eindämmung der Yankees ausgeheckt hatten. Der Plan mag aus der Sicht seiner Urheber manches für sich haben, zumal die Amerikaner einander schon an die Gurgeln gegangen sind, wegen der Sklaverei oder der Rechte der Einzelstaaten, oder wegen irgendwelcher anderer Dummheiten! Rudwick musste deshalb sterben! Dabei könnte er heute noch am Leben sein und unser Wissen um die Frühzeit des Lebens auf der Erde bereichern. Ich schäme mich!«
»Man könnte sagen, es sei Ihre patriotische Pflicht gewesen. Dass Sie Ihren Auftrag für die Interessen des Vaterlandes ausführten.«
»Kann schon sein«, sagte Mallory, »aber es ist auf jeden Fall eine große Erleichterung, sich nach so langem Stillschweigen einmal darüber auszusprechen.«
Fraser schien von der Geschichte nicht sonderlich beeindruckt. Mallory mutmaßte, dass es für Inspektor Fraser von der Sonderabteilung eine alte und ermüdende Geschichte war, oder vielleicht ein bloßes Bruchstück größerer und zwielichtigerer Unternehmungen. Aber Fraser ging diesem politischen Aspekt nicht weiter nach; er beschränkte sich auf die Fakten des Verbrechens. »Erzählen Sie mir von dem ersten Angriff auf Ihre eigene Person.«
»Das war beim Derby. Ich sah eine verschleierte Dame in einer gemieteten Kutsche. Die Dame befand sich in der Gewalt eines Mannes und einer Frau, die sie wie eine Gefangene behandelten und möglicherweise mit einem Betäubungsmittel gefügig gemacht hatten. Ich hielt die beiden sofort für verbrecherische Elemente, was sich dann auch bestätigte – die Frau war nämlich eine gewisse Florence Russell Bartlett, wie Sie wahrscheinlich wissen werden.«
»Ja. Wir fahnden sehr eifrig nach Mrs. Bartlett.«
»Ich konnte ihren männlichen Begleiter nicht identifizieren. Aber es kann sein, dass ich seinen Namen hörte: ›Swing‹. Oder ›Kapitän Swing‹.«
Fraser schien ein wenig überrascht. »Haben Sie diesen Umstand Mr. Oliphant gegenüber eigentlich erwähnt?«
»Nein.« Mallory, der sich auf dünnem Eis fühlte, sagte nichts weiter.
»Vielleicht ist es ganz gut so«, meinte Fraser nach einer Pause des Nachdenkens. »Mr. Oliphant hat bisweilen einen Hang zum Fantastischen, und ›Kapitän Swing‹ ist ein ziemlich berühmter Name in Verschwörerkreisen: eine mythische Persönlichkeit, beinahe so sehr wie ›Ned Ludd‹, oder ›General Ludd‹. Die Swing-Banden waren vor Jahren Ludditen des flachen Landes, hauptsächlich Brandstifter, die den Großgrundbesitzern Heuschober anzündeten und die Dreschwalzen zerschlugen, weil sie die im Tagelohn stehenden Drescher um ihre Winterarbeit brachten. Aber in der Zeit des Aufruhrs wurden sie wild, brachten viele adelige Großgrundbesitzer um und brannten ihre feinen Herrensitze nieder.«
»Ah«, sagte Mallory. »Dann glauben Sie, dass dieser Mann ein Luddit ist?«
»Es gibt keine Ludditen mehr«, konstatierte Fraser. »Sie sind so ausgestorben wie Ihre Dinosaurier. Ich vermute eher, dass es sich um eine bewusst böswillige Namensgebung mit Signalwirkung handelt. Wir haben die Beschreibung dieses Burschen, wir haben unsere Methoden – wenn wir ihn festnehmen, werden wir ihn über seinen Geschmack in falschen Identitäten fragen.«
»Nun, dieser Mann ist ganz gewiss kein Landarbeiter – er ist eine Art
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