Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Beinen aufrecht hinzustellen. Jetzt stand die Maschine auf dem fleckigen Eichenparkett vor einem patentierten Bürostuhl.
»Sieht einwandfrei aus«, meinte Mallory. »Wo liegt das Problem?«
»Ich kann das Fußpedal treten und komme auch mit den Hebeln zurecht«, erklärte Disraeli. »Ich kann die kleine Nadel zu den Buchstaben steuern, die ich brauche. Aber es kommt nichts heraus.«
Mallory öffnete die Seite der Verkleidung, fädelte den perforierten Papierstreifen geschickt durch seine Führungsrolle, überprüfte dann die Papierzuführung. Disraeli hatte übersehen, die Papierbahn so über die Führungsstifte zu ziehen, dass diese in die Randlochung eingreifen konnten. Mallory setzte sich auf den Bürostuhl, pumpte die Schreibmaschine mit dem Fußpedal auf die erforderliche Geschwindigkeit und ergriff die Hebel. »Was soll ich schreiben? Diktieren Sie etwas.«
»›Wissen ist Macht‹«, sagte Disraeli bereitwillig.
Mallory kurbelte die Nadel durch ihre gläserne Wählscheibe hin und her. Ein perforierter Papierstreifen kroch heraus, wurde von einer Federspule aufgewickelt, und das rotierende Druckrad veranstaltete ein ermutigendes Geratter. Mallory ließ das Schwungrad auslaufen und riss das erste Blatt Papier aus dem Ausgabeschlitz. WISSEN IST MACHT , stand darauf.
»Es erfordert eine sichere und flinke Hand«, sagte Mallory, als er dem Journalisten das Blatt gab. »Aber Sie werden sich daran gewöhnen.«
»Ich kann mit der Hand schneller schreiben!«, klagte Disraeli. »Und in einer bei Weitem besseren Schrift!«
»Ja«, erwiderte Mallory. »Aber Sie können Ihren handschriftlichen Text nicht vervielfältigen; hier brauchen Sie nur eine Schere und Klebstoff und können Ihren Lochstreifen zu einer Schleife machen, sodass die Maschine eine Seite nach der anderen ausspuckt, solange Sie das Pedal treten. So viele Ausfertigungen, wie Sie wollen.«
»Bezaubernd«, sagte Disraeli.
»Und natürlich können Sie verbessern und abändern, was Sie geschrieben haben. Sie brauchen den abzuändernden Text bloß aus dem Lochstreifen herauszuschneiden und ihn wieder zusammenzukleben. Dann können Sie den Text neu eingeben.«
»Wer professionell arbeitet, ändert und verbessert nicht«, sagte Disraeli mit verdrießlicher Miene. »Und angenommen, ich möchte etwas Elegantes und Langatmiges schreiben. Etwas wie …« Disraeli wedelte mit seiner schwelenden Pfeife. »›Es gibt Tumulte des Geistes, wenn alles – wie die gewaltigen Erschütterungen der Natur – zu Anarchie und Rückkehr des Chaos zu führen scheint; oft aber entwickelt sich in jenem Augenblick stärkster Beunruhigung, wie in den Kämpfen der Natur selbst, ein neues Ordnungsprinzip oder ein neuer Verhaltensimpuls und steuert und reguliert und bringt Leidenschaften und Elemente, die nur mit Verzweiflung und Vernichtung zu drohen scheinen, zu einem harmonischen Ergebnis.‹«
»Das klingt gut«, sagte Mallory.
»Gefällt es Ihnen? Aus Ihrem neuen Kapitel: Aber wie soll ich mich auf Inhalt und Form konzentrieren, wenn ich dabei wie eine Waschfrau treten und kurbeln muss?«
»Nun, wenn Sie einen Fehler machen, können Sie jederzeit eine neue Seite frisch vom Lochstreifen nachdrucken.«
»Man behauptete, dieses Gerät würde mir helfen, Papier einzusparen!«
»Sie könnten einen geübten Sekretär einstellen und diktieren.«
»Man sagte, es würde mir auch helfen, Geld zu sparen!« Disraeli sog an der Bernsteinspitze seiner langstieligen Meerschaumpfeife. »Aber ich fürchte, das lässt sich nicht ändern. Die Verleger werden uns die Neuerung aufzwingen. Der Evening Standard wird bereits vollständig mit Schreibmaschinen ausgestattet. Es gibt ein großes Aufhebens darum in der Regierung. Die Bruderschaften der Schriftsetzer, wissen Sie, sie verlangen, dass diese Maschinen nur mit ihren Leuten besetzt werden dürfen. Aber genug Fachsimpelei, Mallory. Ans Werk, ja? Ich fürchte, wir müssen uns beeilen. Ich möchte heute Notizen für zwei Kapitel machen.«
»Weshalb?«
»Ich verlasse London mit einer Gruppe von Freunden«, sagte Disraeli. »Die Schweiz, denken wir. Ein kleiner Kanton hoch in den Alpen, wo ein paar fidele Schreiber noch frische Luft atmen können.«
»Sieht ziemlich schlimm draußen aus«, sagte Mallory. »Sehr unheilvolles Wetter.«
»Es ist in jedem Salon das Thema des Tages«, fügte Disraeli hinzu. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und durchsuchte die Fächer nach seinem Bündel Notizen. »Im Sommer stinkt London immer, aber
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