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Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft

Titel: Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Falk;Beckedahl Lüke
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zu Preisen verfügbar, die jedermann Datenverarbeitung ermöglichen. Aber die Richter hatten schon damals eine Vorstellung, wohin die Reise gehen könnte. Sie sahen das Problem nicht nur dann, wenn aus einer Demokratie eine Diktatur wird, sondern erkannten auch die Gefahren einer totalen Überwachung für eine demokratische Gesellschaft. Dieses Urteil war seiner Zeit weit voraus.
    Im Laufe der Jahre haben sich auch die Anwendungsgebiete verschoben: Stand früher vor allem die Rolle des Staates als Datenerheber und -verarbeiter im Vordergrund, sind heute auch Unternehmen große Datenhalter. Sie erstellen Profile, wie die Kreditwürdigkeitsauskunftei Schufa, oder bieten Adressdatenbanken mit vielen weiteren Merkmalen wie die Bertelsmann-Tochter AZ Direkt, die Deutsche-Post-Tochter Deutsche Post Direkt. Vielen Menschen ist kaum bewusst, dass sie mit einem Nachsendeauftrag auch eine Nutzungsgenehmigung erteilen. Die Schober Group hält nach eigenen Angaben 50   Millionen Privatadressen mit 10   Milliarden (!) Zusatzinformationen und 27   Millionen E-Mail -Adressen für Werbung bereit. Versicherer führen große Datenbanken über potenzielle Risikokunden, Telefonanbieter geben anhand großer Datenbanken Verträge nur an Leute, von denen sie glauben, dass sie die Rechnungen auch bezahlen können, und Banken vergeben Konten und Kredite aufgrund gemischter Kriterien zur Kreditwürdigkeit. Vordergründig als Rabattkartensysteme gestaltete Datensammlungen wie das Kartensystem Payback, bei dem Einkäufern durch Bonuspunkte im Tausch gegen Daten über ihr Kaufverhalten ein Rabatt versprochen wird, sind moderne Anwendungen. Ganz zu schweigen von den großflächigen Speicher-, Auswertungs- und für Dritte nutzbaren Analysen unserer Daten für Firmen wie Facebook, Google, die Werbedienstleister des Internets oder Kreditkartenfirmen. Kurzum: Heute werden an jeder Ecke Daten über uns gesammelt, ob wir dies wollen oder nicht, ob wir dies wissen oder nicht.
    Auf den ersten Blick erscheint dies alles harmlos. Und bis zu einem gewissen Grad ist es dies auch noch. Wir befinden uns in einer Zwischenzeit: Nicht alles, was technisch möglich ist, wirdderzeit getan. Und nicht alles, was manche Menschen gerne tun würden, ist derzeit technisch möglich. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Wir müssen rechtzeitig die Normen und Werte festlegen, nach denen wir leben wollen, auch wenn die technischen Möglichkeiten unbegrenzt sind. Wir müssen für uns als Gesellschaft selbst Maßstäbe entwickeln.
    Doch bislang bleibt die Diskussion zu dem Thema an der Oberfläche. Die zentralen Fragen sind: Wie gehen wir mit den neuen Möglichkeiten, mit den Chancen und Gefahren um? Was heißt es für uns, wenn die Analyseverfahren zur Erforschung menschlichen Verhaltens immer genauer werden? Nicht nur die Werbe-Industrie hat Interesse daran, durch die Verknüpfung verschiedener Einzelmerkmale möglichst genaue Profile ihrer Zielgruppen zu entwickeln. Wer sich für Fußball und Autos interessiert, interessiert sich vermutlich für Bier. Wer Fahranfänger und männlich ist, soll mehr für seine Autoversicherung bezahlen. Wer jung, männlich und Student eines Ingenieursstudienganges war, der wurde im Rahmen der größten Rasterfahndung der Bundesrepublik kurz nach den Anschlägen vom 11.   September 2001 auf das World Trade Center in New York automatisch Teil der Überprüfungsmenge der deutschen Terroristenfahnder.
    In der Vergangenheit gibt es mehr als ein trauriges Beispiel für den Einsatz datenverarbeitender Systeme zu unmenschlichen Zwecken. Eines davon ist die Rolle der Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft (DEHOMAG). Dieses Unternehmen, 1910 gegründet, wurde in den 1920ern von der späteren International Business Machines (IBM) übernommen. Es gilt als der Datenverarbeitungsdienstleister der Holocaust-Industrie, und sein Beitrag zur Organisation der Vernichtung der Juden und anderer verfolgter Gruppen ist kaum zu unterschätzen. Unter Historikern ist dabei nur die Frage unklar, in welchem Maße die DEHOMAG zu welchem genauen Zeitpunkt in das Treiben der nationalsozialistischen Mordmaschinerie eingebunden war. Klar ist: Die deutsche IB M-Tochter , die noch bis in den Krieg hinein ihre Blutgewinne an den Mutterkonzern in den USA abführte, hat die Erfassung und Vernichtung schon mit den damaligen Mitteln stark vereinfacht.
    Auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR setzte auf datenverarbeitende Systeme, obwohl

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