Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
Grundeinstellungen hinterlegt werden, könnten diese automatisch ausgelesen werden. Aber natürlich müssten die Firmen dazu verpflichtet werden, sich an diese Regeln zu halten. Und natürlich müssten derartige Regeln auch einhaltbar sein.
Wenn Daten vorhanden sind, wecken sie Begehrlichkeiten. Ein gutes Beispiel dafür sind die Daten der Lkw-Maut-Erfassung, des sogenannten TollCollect-Systems. Diese sollten ursprünglich ausschließlich für ebendiesen Zweck benutzt werden. Doch als sie dann da waren, sprachen Politiker von »Eh-da-Daten«, Daten, die ja eh vorhanden seien und deshalb auch für andere Zwecke wie zum Beispiel die Strafverfolgung genutzt werden sollten. Wenn wir zulassen oder uns dafür entscheiden, im Hinblick auf ein bestimmtes gemeinsames Interesse deutlich mehr Daten von uns preiszugeben, dann müssen die Bedingungen hierfür klar sein, und der Zweck der Datenerhebung kann nicht im Nachhinein ohne Zustimmung oder Wissen der Betroffenen geändert werden.
Schon sind wir bei einem weiteren Problem: Selbst wenn es dafür Regeln gäbe, wie kann man garantieren, dass sie auch eingehalten werden? Derzeit ist das mit dem Schutz von Daten eine mittelmäßig frustrierende Sache. Es gibt Behörden, sogenannte Aufsichtsbehörden, die über die Einhaltung des Datenschutzes wachen sollen. In Deutschland gibt es davon 17 an der Zahl, und sie haben im Regelfall recht wenige Mitarbeiter für ganz schön viele datenverarbeitende Strukturen, die überprüft werden müssten, zur Verfügung. Spaßvogelstatistiker haben ausgerechnet, dass ein deutsches Unternehmen mit einer Datenschutzkontrolle durch die Behörden erst nach Tausenden von Jahren rechnen muss. Im Ausland sieht es im Regelfall noch schlechter aus. Manche dieser behördlichen Datenschützer versuchen es mit Abschreckung. Sie machen viel Lärm. Aber tatsächlich ist die Gefahr des Ertapptwerdens bei Datenschutzverstößen für Unternehmen gering.
Man muss sich auch fragen: Ist es überhaupt sinnvoll, dass wir die Überwachung von Datenschutz faktisch allein in die Hände von schlecht ausgestatteten Behörden legen? Obwohl sie so schlecht ausgestattet sind, machen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Regelfall einen guten Job. Damit sie diesen Job wirklichumfassend erledigen können, müssten sie allerdings so viele zusätzliche Mitarbeiter und echte Kompetenzen bekommen, dass man sie ehrlicherweise in »Datenpolizei« umbenennen sollte. Angestellte, Beamte und Leiter der Datenschutzbehörden sind Teil des staatlichen Systems, »Staatsdiener«. Auch wenn sie unabhängig agieren sollen, unterliegen sie doch gewissen Vorgaben und Zwängen, sind weisungsgebunden. Das ist zwar richtig so, doch es schränkt die Unabhängigkeit wiederum ein. Deshalb ist eine rein staatliche Organisation des Datenschutzes zwiespältig.
Was wäre der Ausweg aus diesem Dilemma? Eine Kombination aus zwei Elementen: Zum einen sollten die Datenschutzbehörden erheblich besser ausgestattet werden. Zum anderen sollten sie auch als Berater und Unterstützer für einzelne Bürger fungieren und juristische Hilfe anbieten können. Man kann als Individuum oft nur schwer einschätzen, welchen individuellen Schaden ein heute begangener Verstoß gegen den Datenschutz morgen für einen anrichten wird. Auch Gerichte tun sich damit schwer. Wenn man dafür sorgt, dass Gemeinschaftsklagen möglich sind und im Einzelfall überschaubare, in der Summe jedoch merkliche Strafen nach sich ziehen, dann könnte dies eine Lösung sein.
Bislang ist es für Unternehmen preiswerter und vorteilhafter, den Datenschutz zu ignorieren, als ihn zu beachten. Wer sich an die Datenschutzregeln hält, steht oft schlechter da als die Konkurrenz. Unter diesen Umständen ist ein Zuviel an Datenschutz rein wirtschaftlich betrachtet dumm. Erst wenn es auch wirtschaftlicher ist, den Datenschutz zu beachten, als ihn zu umgehen, dann werden alle, die Daten verarbeiten, auch vorsichtiger damit umgehen. Wenn wir möchten, dass Menschen in der Zukunft ihre Daten zur Verfügung stellen, dann müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Daten nicht beliebig ge- und missbraucht werden können und dass im Fall von Verstößen auch wirksame Sanktionen die Übeltäter treffen. Denn das ist eine Voraussetzung für eine funktionierende digitale Gesellschaft der Zukunft: Wir müssen den Akteuren Vertrauen schenken können.
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