Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
mehr. Entsprechende Endgeräte können gar nicht mehr verwendet werden. Wenn wir in ein Telefon sprechen, werden digitale Daten erzeugt und diese dann über das Netz des Anbieters zum Zieltelefon übertragen, um dort wieder entschlüsselt zu werden. Diese Dienstleistung lassen sich die Anbieter teuer bezahlen – obwohl die Nutzer eigentlich günstiger direkt über das Internet telefonieren könnten, ohne den Umweg über das Telefonnetz des Anbieters. Wer dies dennoch tun will, der wird bei manchen Providern kurzerhand extra zur Kasse gebeten.
Und auch in einer anderen Hinsicht kastrieren vor allem die Mobilfunk-Anbieter den Internetzugang. Wenn ein Gerät einen Zugang zum Internet hat, dann kann es andere Geräte Huckepack nehmen. Das entspricht der Struktur des Netzes: Jeder einzelne Teilnehmer kann sein eigenes Unternetz aufbauen. Bei vielen Menschen steht zuhause ein sogenannter Router, der genau diese Funktion übernimmt: Er sorgt dafür, dass wir mit allen unseren digitalen Geräten ins Internet kommen – vom Laptopüber das iPad oder Telefon bis zum modernen Drucker, dem wir einfach eine E-Mail mit einem Dokument schicken können und es dann ausgedruckt vorfinden. Manche Anbieter des sogenannten mobilen Internets unterbinden dies und verlangen für die Möglichkeit, dieses sogenannte »Tethering« (»Anleinen«) durchzuführen, einen Aufschlag. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen unklar ist, was Internetprovider tatsächlich tun, und für den Einzelnen kaum festzustellen ist, ob, und wenn ja, wie die Leitungsanbieter in den Datenverkehr eingreifen.
Das alles sind erste Anzeichen dafür, dass bestimmte Akteure ans Internet selbst aus wirtschaftlichen Motiven heraus Hand anlegen. Sie möchten die Funktionsweise des Netzes künstlich beschränken und statt dessen, was wir heute unter Internet verstehen, etwas anderes anbieten. Sie wollen aktiv dafür sorgen, dass bestimmte Arten von Inhalten, bestimmte Sender und Empfänger mehr für die gleiche Dienstleistung – den Datentransport von A nach B – bezahlen. Dafür werden andere benachteiligt, die das nicht tun. Statt eines neutralen Netzes gäbe es dann eine Mehrklassengesellschaft. Und die hätte es in sich.
Denn wenn man die Transporteure darüber entscheiden lässt, was auf ihren Leitungen zu welchen Bedingungen von A nach B gelangt und eine solche Entwicklung eines nicht-neutralen Datentransports im Internet ein paar Jahre fortschreibt, dann wird das Netz, wie wir es heute kennen, passé sein. Diejenigen, die sich den höheren Preis für das Senden von Informationen leisten können – allen voran die Megafirmen des Internets, auf deren Angebote kein Provider verzichten kann, weil ihm sonst die Kunden weglaufen –, sind noch da. Die kleinen und mittleren Anbieter bleiben im Datenstau des »Restenetzes« auf der Strecke. Und zwar nicht nur die kommerziellen, sondern alle, die heute so stark davon profitieren, dass es eben keine solche Unterscheidung gibt.
Neue Unternehmungen müssten viel Geld aufbringen, um überhaupt ansatzweise konkurrieren zu können. Heute sprechen wir davon, wie demokratisch das Internet ist. Das könnten wir uns bei diesem durchaus realistischen Zukunftsszenario sparen. Ein Internet, in dem die Provider die Bedingungen für die von ihnen transportierten Daten diktieren, wäre kein demokratisches Internet mehr. Seiten wie die allseits geschätzteWikipedia könnten unter diesen Umständen schlicht nicht überleben.
Zwei Dinge sind zentral, wenn es um Regeln für ein neutrales Netz geht. Wir müssen das Netz selbst vor Eingriffen in seine Struktur aus politischen und wirtschaftlichen Motiven beschützen. Und wir müssen gleichzeitig die Nutzer davor schützen, dass sie von Anbietern über den Tisch gezogen werden. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch. Man kann eine klare Unterscheidung treffen. Es gibt das Netz und seine Infrastruktur, und es gibt die Herrscher über die Leitungen, die für den reibungslosen und bestmöglichen Betrieb dieser Infrastruktur zuständig sind. Damit verdienen sie ihr Geld. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Inhalte nach kommerziellen oder politischen Gesichtspunkten zu gewichten und zu sortieren. Für Inhalte und Dienste des Internets hingegen sind diejenigen verantwortlich, die sie bereitstellen und anbieten. Und sie sind auch dafür verantwortlich, dass den Nutzern kein Schaden zugefügt wird.
Datenfluss
Der freie Fluss von Information ist das Rückgrat des Netzes. Und jede
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