Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
– oder die Wunder der Technik, die die Deutsche Bahn am Laufen hält. Unterbrochen von Star-Interviews, die zufällig auch eine Frage zum Bahnfahren enthalten, oder vergleichbaren Inhalten. Ob ›Apotheken-Umschau‹, ›Bäckerblume‹ oder ›Mobil‹: Die Magazine sind oft gut gemacht, schön designt und von echten journalistischen Produkten kaum zu unterscheiden. Nur: Sie sind kein Journalismus. Zwar wurden in ›Mobil‹ die Vorzüge der modernen Durchgangsbahnhöfe erklärt. Aber für die Kritik am Großprojekt Stuttgart 21 war im Hausmagazin der Bahn genauso wenig Platz, wie es für die Flugroutenkritiker desneuen Berliner Flughafens im Kundenmagazin bei Air Berlin jemals sein wird.
Auch der klassische Journalismus ist nicht frei von solchen Interessen. Pläne für neue Zeitschriften orientieren sich oft weniger an potenziellem Leserinteresse als an der Frage, wie der Werbemarkt in diesem Umfeld aussieht. Zum Beispiel sind bestimmte Formate in den vergangenen Jahren entstanden, um die werbetechnisch lange Zeit brachliegende Zielgruppe der berufstätigen Akademikerinnen zu erschließen. Wer glaubt, dass die Trennung von Redaktion und Verlag – also den Anzeigenverkäufern – überall strikt eingehalten würde, der glaubt vermutlich auch an den Weihnachtsmann und die Unfehlbarkeit des Papstes. Aber wo fängt Journalismus an, wo hört er auf? Sind die Schnittchen-Termine der Pressekonferenzen schon Korruption? Kann ein Reisejournalist, der auf Kosten eines Tourismusbüros nach Frankreich fährt, wirklich unabhängig sein? Ist die Drohung eines Plattenlabels oder Buchverlages, das Zusenden von Rezensionsexemplaren zu beenden, wenn der Autor ihre Produkte weiterhin verreißt, nicht enorm wirksam, wenn es keinen Etat dafür gibt, die Produkte einfach im Laden zu kaufen? Unter vielen Artikeln auch seriöser Zeitungen müsste eine lange Erklärung abgedruckt sein: Der Autor arbeitet auch für das Kundenmagazin des genannten Unternehmens, besitzt Aktien des Konkurrenten, hat Freunde in der Lobbyagentur der Firma und ist mit der Frau des Bruders der Mutter des persönlichen Referenten des Ministers liiert gewesen. Journalismus ist ein Geschäft, in dem das (wirtschaftliche) Überleben des Einzelnen oft vor der Sauberkeit der Recherche, der Transparenz eigener Verquickungen und dem Verzicht auf Themen kommt, weil eigentlich eine unabhängige Berichterstattung nicht garantiert ist.
Das führt dazu, dass Leser und Zuschauer sich abwenden. Sie konsumieren zwar alles, was wie Journalismus aussieht, auch wenn es sich dabei um Werbung handelt, wollen dafür aber möglichst nichts bezahlen. Die Verlage bestärken sie in dieser Haltung, indem sie die Grenzen zwischen Journalismus und PR weiter aufweichen. Kann man es den Mediennutzern wirklich übel nehmen, dass sie kein Vertrauen in diesen »Journalismus« haben? Dass sie sich genauso gut oder schlecht informiert fühlen, wenn sie die Startseite ihres E-Mail -Providers aufrufen unddort die News durchklicken? Parallel zu diesen, vorwiegend negativen, Entwicklungen entstehen aber im Netz viele neue, manche guten, manche weniger guten Konzepte und Plattformen, die zeigen, dass das Bedürfnis der Menschen nach solider und seriöser Information keineswegs erlischt.
… dann machen wir uns unsere Medien halt selber
Der eine interessiert sich für Formationstanzen, der andere befasst sich mit seiner Arbeitslosigkeit, wieder andere interessieren sich für E U-Politik oder auch für Hundesport. Es gibt kaum ein Interesse, für das sich online nicht spezifische Fachforen und Newsseiten etabliert hätten. Was früher fast unmöglich war, nämlich für all diese Einzelinteressen aktuelle News aufzubereiten und unter das Volk zu bringen, ist heute Alltag. Die wenigsten dieser Seiten sind im klassischen Sinne »journalistisch«, viele werden als Hobby von Enthusiasten betrieben, die mehr oder minder professionell über ihre Themengebiete berichten und diskutieren. Aber durch die gesunkenen Produktions- und vor allem Vertriebskosten ist das, was die Verlagswelt »Special Interest« nennt, zu einem schier endlosen Markt geworden. Sobald sich zehn Leute für ein Thema begeistern, kann eine Internetseite, die diese kleine Community informiert, ihr einen wirklichen Mehrwert bieten.
Stellen wir uns vor, wir würden angeln. Aber nicht irgendwelche Fische. Wir wären Karpfenangler. Ein Magazin für Karpfenangler? Wäre ein Journalist früher mit dieser Idee zu einem Verlag oder einer
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