Die Diktatorin der Welt
Rauschen und Brodeln des Nachmittagsverkehrs nahm ihn auf. In der vagen Hoffnung, Dado irgendwo zu finden, sah er sich suchend um. Aber Dado hatte nicht gewartet. Aus dem Gedränge, das auf die Kante des Kettenbahnsteigs zuschob, löste sich Felip Gutierr und kam auf ihn zu. Ken gab sich Mühe, seine Enttäuschung nicht sehen zu lassen.
»Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht«, begann Felip. Er sah aus, als hätte er Sorgen. »Jernigan. Glauben Sie, er ist echt?«
Ken grinste.
»Sie werden's kaum glauben, aber ich habe mir über dieselbe Sache den Kopf zerbrochen.«
Felip sah ihn aufmerksam an. Ken schüttelte den Kopf und sah über Felip hinweg in den Trubel des Verkehrs.
»Er muß echt sein, Felip. Ganz egal, wie weit Nenu uns voraus ist – sie hatte keine Möglichkeit, einen ihrer Leute für den echten Jernigan zu unterschieben. Der Mann ist echt.«
Felip biß sich auf die Lippen. Er wirkte so nervös, wie Ken ihn noch nie gesehen hatte.
»Wir könnten uns überzeugen, nicht wahr?« schlug er vor. »Eine Nachfrage in Kappaos, und wir haben Gewißheit.«
Der Gedanke widerstrebte Ken. Er selbst war überzeugt, und er belästigte die Leute in Kappaos nicht gerne, ohne einen triftigen Grund zu haben. Aber die Vorstellung, es von nun an mit einem nervösen, sorgenvollen Felip Gutierr zu tun zu haben, beunruhigte ihn gleichermaßen. Er nickte schließlich.
»Gut, Felip«, gestand er zu. »Ich setze mich morgen früh mit Kappaos in Verbindung.«
Felip atmete auf. Er gab sich nicht einmal Mühe, seine Erleichterung zu verbergen.
»Vielen Dank«, stieß er hervor. »Da gehe ich schon viel beruhigter nach Hause.«
Er war so durcheinander, daß er sich nicht einmal verabschiedete. Er drehte sich um und war im nächsten Augenblick im Gedränge verschwunden. Ken blieb noch einen Augenblick stehen. Es fiel ihm ein, daß er zwar Jernigan über sein Beisammensein mit Dado am vergangenen Abend erzählt hatte, aber nicht Felip. Er machte sich Gewissensbisse. Felip war ein guter Mitarbeiter. Es war unvorstellbar, daß er jemals hintangesetzt werden solle. Ken nahm sich vor, ihn am nächsten Morgen aufzuklären.
Er fuhr mit der Kettenbahn zur Rohrbusstation und nahm einen Bus nach Cocoa. In Cocoa aß er zu Abend – in einem Restaurant, das er nicht mehr besucht hatte, seit Dado zu ihnen gestoßen war. Er hatte gehofft, ein paar Bekannte zu treffen. Aber das Management hatte gewechselt, und die Kunden waren auch nicht mehr dieselben. Enttäuscht und mit halbem Appetit verzehrte er eine nichtsdestoweniger schmackhafte Mahlzeit und machte sich nach einem rasch hinuntergetrunkenen Verdauungscocktail wieder auf den Weg nach Hause.
Er kam um zehn nach zehn zu Hause an, mischte sich noch einen Drink, dachte über die Ereignisse des Tages nach, während er das kräftige Gebräu schlürfte, und ging zu Bett. Er war ärgerlich und unbefriedigt.
Es gab Tage, an denen alles schiefging.
*
Er wachte mitten in der Nacht auf. Er hatte heftige Kopfschmerzen und war in Schweiß gebadet. Er nahm eine Tablette und legte sich wieder zur Ruhe, aber das Medikament wirkte nicht. Im Gegenteil – die Schmerzen nahmen zu.
Wider alle Vernunft entschloß er sich, eine zweite Tablette zu nehmen. Das Medikament, das er benützte, gehörte zu den zuverlässigsten, die es gab. Wenn die erste Dosis nicht half, würde es die zweite auch nicht tun. Er schluckte die Tablette trotzdem.
Es mochte Einbildung sein, aber kaum hatte er die wohlschmeckende Pille zerkaut und hinuntergeschluckt, da wuchs die Intensität des Kopfschmerzes sprunghaft. Er verlor einen Augenblick lang das Gleichgewicht, torkelte und fand schließlich an einer Sessellehne Halt. Als er sich umsah, bemerkte er, daß die Gegenstände in seiner unmittelbaren Nähe verwaschene Umrisse hatten, als stünden sie auf einem Untersatz, der mit hoher Geschwindigkeit vibrierte.
Er tastete sich vorsichtig an der Lehne entlang bis auf die Vorderseite des Sessels und ließ sich in das Polster fallen. Die Entspannung der Muskeln brachte vorübergehende Erleichterung, aber Sekunden später setzte der Schmerz mit gesteigerter Intensität wieder ein. Ken war kaum mehr eines klaren Gedankens fähig, aber irgendwo im Hintergrund seines Bewußtseins nagte die Erkenntnis, daß er sich in Gefahr befand und daß ihm nur noch ein paar Sekunden blieben, um etwas dagegen zu unternehmen. Er stieß sich mit aller Kraft aus dem Sessel in die Höhe. Die Anstrengung erzeugte eine Welle von Schmerz,
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