Die Diktatorin der Welt
vielfältigen Kosmos beschäftigte. Er war nicht einmal der erste. Es gab andere, und ihre Kenntnis schien die seine bei weitem zu übertreffen. Er war ihnen ins Gehege gekommen. Sie verfolgten ihn. Sie wollten ihn daran hindern, daß er ihnen ins Gehege kam.
Er tat am besten daran, sich damit abzufinden. Er wußte nicht, wer »die anderen« waren. Er wußte nicht, was sie wollten – abgesehen, daß sie vorhatten, ihm den Hals umzudrehen. Aber das spielte keine Rolle. Er mußte sich auf die Lage einstellen.
Es beruhigte ihn, seine Empfindungen auf diese Weise zu zergliedern. Es half ihm, die Angst vor dem Unbekannten nicht etwa loszuwerden, sondern sie an ihren Platz zu verweisen, wo er sie dauernd vor Augen hatte und wo sie ihm als Triebkraft für die Dinge dienen konnte, die er tun mußte.
Er verbrachte eine verhältnismäßig ruhige Nacht. Erst gegen Morgen begann er zu träumen und hatte eine Reihe von häßlichen Visionen, in denen die schwarze Welt und Nenu wichtige Rollen spielten.
Am nächsten Morgen war er der erste im Labor. Gegen alle Vernunft hoffte er, daß Felip sich verspäten würde, so daß er Zeit hätte, mit Dado zu sprechen. Aber Felip war pünktlich wie immer. Dado dagegen erschien mit vierzig Minuten Verspätung, und sie sah aus, als hätte sie die ganze Nacht über kein Auge zugetan. Ken empfand das als beunruhigend, denn Dado achtete auf ihr Äußeres, und es gab wirksame Kosmetika, die selbst die Spuren akuter Erschöpfung mühelos vertuschten.
Er fand bis zur Mittagspause keine Gelegenheit, sich mit Dado zu unterhalten. Als er sie endlich für sich allein hatte, beantwortete sie seine Fragen ausweichend, als bereitete es ihr Unbehagen, über die Vorgänge des letzten Abends zu sprechen. Sie bestätigte, daß sie Ken nach Hause gebracht und ihm einen Topf starken Kaffee gebraut hatte. Ihr Aussehen erklärte sie damit, daß sie die ganze Nacht über vor Aufregung kein Auge zugetan hatte.
Ken war enttäuscht – hauptsächlich über sich selbst. Er hatte Dado verbittert. Sein Schwächeanfall am vergangenen Abend hatte sie abgeschreckt. Es schien ihr einiges an ihm gelegen zu haben, wenn der Vorfall ihr dermaßen zugesetzt hatte und sie obendrein keine Anstalten machte, es zu verheimlichen. Er war ratlos. Er hätte viel für ein Patentrezept gegeben, sich Dados Achtung wieder zu erwerben.
Der Nachmittag brachte Abwechslung. Der neue Mitarbeiter stellte sich vor. Er hieß Alf Jernigan und war ein schlanker, hochgewachsener junger Mann, der eine merkwürdige Atmosphäre der Düsterkeit um sich verbreitete. Er hatte dichtes, schwarzes Haar und buschige, schwarze Augenbrauen, unter denen die Augenhöhlen wie finstere Löcher wirkten. Seine Nase war scharf geschnitten. Er hatte dünne Lippen, die seinen Mund wie einen schmalen, horizontalen Strich erscheinen ließen. Er trug sich nach der Mode des vergangenen Jahrzehnts und machte im großen und ganzen den Eindruck, als wäre er der letzte, der in die heitere Atmosphäre des zentralen Labors paßte.
Im Augenblick allerdings schien das keine Rolle zu spielen. Die Heiterkeit war verflogen. Felip war verwirrt und brummig, weil er spürte, daß etwas um ihn herum vorging, worüber sich keiner die Mühe machte, ihn aufzuklären. Dado wirkte müde und krank, und Ken Lohmer war ratlos und verärgert über sich selbst. Es spielte wirklich keine Rolle, welchen Charakters Alf Jernigan war.
Jernigan war Mathematiker. Im Laufe der Elektropunktur-Experimente war klar geworden, daß die Wahrnehmungszentren organischer Gehirne von ungeheuer komplizierter Struktur waren. Die Erstellung eines statistischen Modells, nachdem der Perzeptionsforscher sich richten konnte wie ein Wanderer nach einer Landkarte, entpuppte sich als unerläßlich. Ken Lohmer hatte eine entsprechende Forderung mit detaillierter Beschreibung der Fähigkeiten des Mannes, den er suchte, an die Instanz gerichtet, die die Arbeiten des Institutes finanzierte. Die Forderung war bewilligt worden. Professionelle Begabungs-Scouts hatten sich an die Arbeit gemacht und Alf Jernigan gefunden.
Ken verbrachte den Rest des Nachmittags damit, Jernigan in seine Arbeit einzuweisen. Im persönlichen Gespräch zeigte Jernigan sich, wie erwartet, als ein Mann, der lieber zuhörte als sprach. Die wenigen Antworten, die er gab, zerstreuten Kens Verdacht, seine Zurückhaltung sei die Folge eines Minderwertigkeitskomplexes. Wenn er etwas sagte, hatte es Hand und Fuß, war knapp und präzise formuliert und mit
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