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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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einer Sicherheit ausgesprochen, die darauf hinwies, daß der Mann wußte, was er sagte. Ken sah keinen Anlaß zu verheimlichen, was sich am vergangenen Tag zugetragen hatte. Er beschrieb die schwarze Welt, Nenu und ihre Kumpane und wie sie mit ihm umgegangen waren. Alf Jernigan war nicht uneingeweiht. Als man ihm den Posten anbot, hatte man ihn in großen Zügen über den Zweck der Forschungen im Peninsular Institute informiert. Als er annahm, war er auch über die Einzelheiten aufgeklärt worden.
    Ken sprach auch über die Vorfälle des gestrigen Abends. Er beschrieb, wie er das Zeichen auf seiner Kundenkarte entdeckt hatte – zu einem Zeitpunkt, als er fast schon vergessen hatte, dasselbe Symbol auf der Schnalle gesehen zu haben, mit der Kori ihn an die Liege fesselte. Er zögerte einen Augenblick, ob er Jernigan über seine eigene Reaktion aufklären solle, entschied sich dafür und empfand plötzlich nahezu masochistisches Vergnügen dabei, sein absolut unmännliches Verhalten in Worte zu kleiden und einem Unbeteiligten zu schildern.
    Jernigan hörte sich alles an, ohne ihn auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Selbst als Ken geendet hatte, schien er keinen Anlaß für einen Kommentar zu empfinden, und Ken sagte, nur weil er das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen:
    »Das wär's wohl. Sie wissen jetzt, in welche Situation Sie geraten sind. Wenn Sie Ihnen zu brenzlig ist – ich denke, es wird Ihnen niemand verübeln, wenn Sie aussteigen wollen.«
    Jernigan stand auf. Er war einen halben Kopf größer als Ken. Ken bemerkte verblüfft, daß er in der Gegenwart des Mannes eine merkwürdige Art von Respekt empfand, als hätte er es mit einer Person überlegener Kapazität zu tun.
    Jernigan sagte:
    »Es ist wichtig, auf dem schnellsten Weg ein mathematisches Modell zu entwickeln, so daß bei den nächsten Experimenten Einstellung eines bestimmten Wahrnehmungszentrums auf eine bestimmte Universenserie erfolgen kann.«
    Ken musterte ihn überrascht.
    »Richtig. Deswegen stellte man Sie an. Aber was hat das mit unserem Problem zu tun?«
    »Nenu ist am leichtesten auf ihrer eigenen Ebene zu begegnen«, antwortete Jernigan, und Ken stellte fest, daß er von Nenu sprach, als kennte er sie persönlich.
    »Das ist eine allgemeine Weisheit«, bemerkte Ken. »Und wie wollen Sie Nenus Ebene finden?«
    Jernigan sah ihn nicht an. Er starrte zum Fenster hinaus.
    »Nenu ist hier. Sie sahen das Zeichen auf Ihrer Karte. Wir brauchen sie nur zu finden, dann können wir ihr Gehirn auseinandernehmen und feststellen, woher sie kommt.«
    Ken schauderte unwillkürlich. Wenn Jernigan auch nur die Hälfte von dem ausführte, was er sich vornahm, dann hatte Nenu ab sofort mehr Sorgen als Haare auf ihrem schönen Kopf.

 
4
     
    Jernigan begann unverzüglich mit der Arbeit. Mit Hilfe des Subkomputers entwickelte er eine Reihe von Rechenprogrammen, die den Mechanismus des Wahrnehmungsvorgangs in mathematischer Form ausdrückten. Bei Büroschluß saß er mitten in einem verworrenen Haufen von Maschinenausdrucken, die über die Kanten des Schreibtisches auf den Boden flossen, und nichts schien ihm ferner zu liegen, als Feierabend zu machen. Ken wußte nicht, was er davon halten sollte. Einerseits war er gern der letzte, der das Labor verließ, nicht zuletzt wegen des teuren, hochwertigen Geräts, das sich hier befand und unter seiner Obhut stand, andererseits aber lag ihm daran, so bald wie möglich ein brauchbares Modell des Wahrnehmungsmechanismus zu besitzen. Er legte Jernigan ans Herz, den Wachrobot zu aktivieren, wenn er Schluß machte, und darauf zu achten, daß in der Zwischenzeit kein Unbefugter das Labor betrat.
    Auf dem Weg zum Kellergeschoß fragte er sich, ob Jernigan einer von Nenus Agenten sein könne – einer von der Wachgruppe, die sie aufstellen wollte, um diese Universenserie im Auge zu behalten. Die Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen. Jedoch war Alf Jernigan schon vor mehreren Wochen das Angebot unterbreitet worden, für das Institut zu arbeiten, zu einer Zeit also, als Ken Lohmer und Nenu noch nichts voneinander wußten. Wenn der Mann, den Ken oben im Labor zurückgelassen hatte, für Nenu arbeitete, dann mußte er gestern oder heute gegen den richtigen Alf Jernigan ausgetauscht worden sein, und das, schloß Ken, war ein so schwieriges Unterfangen, daß selbst jemand wie Nenu sich die Zähne daran ausgebissen hätte.
    Einigermaßen beruhigt glitt Ken auf der Rolltreppe ins Kellergeschoß hinunter. Das

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