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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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zur Verfügung. Sie dringt in die Räume Nummer zwei und drei ein, und da keine andere Methode verfängt, benutzt sie Gewalt, um sich in den Mittelpunkt zu schieben.
    Sie übersieht dabei eines. Außer den drei Räumen, die ihr Bewußtsein wahrzunehmen imstande ist, gibt es noch eine Reihe anderer – solche, in denen sie ebenfalls die Hauptrolle spielt, und solche, in denen sie fast kaum beachtet wird oder nicht vorhanden ist.
    Ihre Handlungsweise ist logisch, solange man von der Existenz dieser anderen Räume absieht. Zieht man sie jedoch in Betracht, dann erscheint Nenus Bemühen sinnlos. Denn eine einfache Rechnung zeigt, daß jedesmal, wenn es ihr gelingt, in einem der Räume vom Typ zwei oder drei die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, irgendwo anders ein Raum vom Typ eins sich in den Typ zwei oder drei verwandelt. Sie wird die Zahl der Räume, in denen sie im Mittelpunkt steht, niemals ändern. Aber solange sie nur die drei erstgenannten Räume wahrnimmt, ist dieser Sachverhalt für sie ohne Belang.«
    Ken trank den letzten Schluck Kaffee. Es gab einen dumpfen Knall, als er in seiner Nachdenklichkeit die Tasse härter als sonst auf den Tisch setzte.
    »Sie wollen mir also klarmachen«, tastete er sich vor, »daß die volle Bedeutung der Perzeptionstheorie Nenu und ihren Revolutionären noch nicht aufgegangen ist.«
    Jernigan machte eine warnende Geste.
    »Sagen wir so«, schlug er vor: »Das ist eine der möglichen Erklärungen, und im Augenblick vielleicht die plausibelste. Aber es gibt andere. Bedenken Sie die politische Struktur eines absoluten Staates. Irgendein wichtiges Projekt schlägt fehl, völlig fehl. Der absolute Machthaber, der bisher den Schein der Unfehlbarkeit um sich herum verbreitet hat, sieht sein Prestige in Gefahr. Er braucht einen Sündenbock, auf den er die Schuld schieben kann. Was ist einfacher, als Leute aus einem anderen Universum für den Fehlschlag verantwortlich zu machen? Und da man es dabei nicht bewenden lassen kann, unternimmt man es, das fremde Universum anzugreifen und zu unterjochen. Eine unerhört einfache Taktik – und so alt wie die Geschichte der Menschheit.
    Bedenken Sie, wie einfach es ist, dem Mann auf der Straße ein fremdes Universum einfach als einen anderen Ort zu schildern, an den man mit Hilfe eines neuentwickelten Transportmechanismus gelangt. Sich in ein anderes Universum zu begeben, ist etwa so, wie mit einem Raumschiff in ein fremdes Sternsystem zu fliegen. So wenigstens sieht es die offizielle Version der Perzeptionstheorie, die in Nenus Universum verbreitet wird.
    Ob aus Mangel an besserem Wissen oder weil es so den Zwecken der Machthaber am besten paßt ...«, er spreizte die Hände, »... wir wissen es nicht.«
    Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen. Dann schlug Ken ein anderes Thema an.
    »Wie sind Sie eigentlich auf uns gestoßen?« erkundigte er sich.
    »Wir kommen in der Welt herum«, antwortete Jernigan lächelnd. »Nenus erster Vorstoß in unser Universum erfolgte vor etwa zehn Jahren unserer Zeitrechnung, als wir selbst gerade die ersten praktischen Experimente mit der Perzeptionstheorie ausführten. Seitdem sind Hunderte von uns unterwegs – um die Lage zu erkunden, um festzustellen, wie weit Nenus Einfluß reicht, um Verbündete zu finden, um zu verhindern, daß in anderen Universen weitere Nenus entstehen – und wer weiß was sonst noch. Nennen Sie ein Motiv, wir haben es!«
    »Wann kamen Sie hierher?«
    »Vor mehr als zwei Monaten. Ich hatte nicht vor, mich lange aufzuhalten. Die Erde mit ihrer archaischen Aufspaltung in ideologische Kreise, fast so schlimm wie die alten Nationalstaaten, erschien mir der letzte Ort, an dem ein so kompliziertes Gebilde wie die Perzeptionstheorie selbst in den Geistern der Fortgeschrittensten hätte Fuß fassen können. Unter diesen Umständen waren Sie weder als Verbündete zu gebrauchen, noch konnten Sie vor Nenu gewarnt werden, denn Sie hätten den Mechanismus nicht verstanden, dessen Nenu sich bediente. Ich war beinahe schon auf dem Heimweg, als ich in einer Tageszeitung einen ziemlich vagen Artikel über das Peninsular Institute of Neurophysics las. Was ich las, kam mir so vor wie das Produkt eines Schreibers, der keinerlei Fachwissen besaß und von jemand, der sich ein ganz anderes Bild von der Sache machte, die halbe Wahrheit über Ihr Projekt erfahren hatte. Ich versuchte, das zu rekonstruieren, was dem Bericht wirklich zugrunde lag – und änderte meine Meinung. Es war mein Glück, daß

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