Die Dilettanten
Kampagne gegen Kurnaz’ Rückkehr.« 98
Heribert Prantl von der
Süddeutschen Zeitung
zieht Bilanz: »Der Außenminister … nennt die Vorwürfe ›infam‹, die jetzt gegen ihn erhoben werden. Aber nicht die Vorwürfe gegen ihn, sondern seine und die Verteidigungsstrategie der SPD sind infam … Steinmeiers Haus war die Spitze einer kaltschnäuzigen bundesdeutschen Bürokratie, die sich um das Leiden eines jungen bremischen Bürgers nicht nur nichts scherte, sondern mit allerlei Machenschaften dazu beitrug, dieses Leid um Jahre zu verlängern.« Und Prantl deutet an, dass den Kanzlerkandidaten nur der Ausländerhass des rechten Abschaums rettete: »Murat Kurnaz trägt einen langen, wüsten Bart – und das ist das Glück von Außenminister Frank-Walter Steinmeier … Murat Kurnazentspricht dem Bild, das sich das Vorurteil von einem verdächtigen Ausländer macht. Das macht Steinmeier die Verteidigung in diesem Fall leichter – indem er sich aber nicht verteidigen, sondern entschuldigen sollte.« 99
Vorher aber untersucht der Ausschuss, ob die Bundesregierung und der BND im völkerrechtswidrigen Irakkrieg die USA unterstützt haben. Stefan Andreas Casdorff vom
Tagesspiegel
schwant Übles für Steinmeier: Das Gremium könne »ihn doch arg in Bedrängnis bringen. Hat die vormalige rot-grüne Bundesregierung zu Zeiten des Irakkriegs anders geredet als gehandelt? Wer sich anschaut, was den USA an Daten geliefert wurde für ihren Krieg, der kann auf diese Idee kommen. Und damit zugleich auf die, dass Steinmeier als dem oberen Geheimdienstaufseher so was auf keinen Fall entgangen sein kann. Wenn doch, wäre es auch ziemlich schlimm.« 100
Aber vielleicht kommt »Schröders kleiner Politbruder« (
Zeit
) ja damit durch. Die Bürger könnten Steinmeier aber auch frei nach Loriot zurufen: »So etwas können sie ihren Schrebergärtnern in Detmold anbieten …«
Peter Struck (SPD), Jurist, Fraktionschef
Erst die Partei, dann das Gemeinwohl?
Peter Struck, geboren am 24. Januar 1943 in Göttingen, ist ein preußischer Parteisoldat. Nach dem Abitur 1962 beginnt er ein Jurastudium, tritt 1964 in die SPD ein, promoviert 1971 zum Dr. jur. und wird Regierungsrat in der Hamburgischen Verwaltung. Von 1971 bis 1972 ist er persönlicher Referent des Präsidenten der Universität Hamburg, danach in der Hamburger Finanzbehörde, außerdem von 1971 bis 1987 im Kreistag Uelzen, seit 1973 Stadtrat und Vizestadtdirektor von Uelzen, seit 1980im Bundestag, seit 1983 Rechtsanwalt, von 1990 bis 1998 Erster Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, von 1998 bis 2002 Fraktionschef, ab Juli 2002 Nachfolger von Rudolf Scharping als Verteidigungsminister und seit der Wahl 2005 wieder Fraktionschef.
Wäre das Ganze eine Hollywoodkomödie, so könnte man Peter Struck nicht böse sein. Wenn er im Urlaub auf einer BMW 1200 RT durch Colorado oder die Rocky Mountains rast, dann liegt der Duft von Freiheit, Abenteuer und
Easy Rider
in der Luft. Wenn er bei Gartenpartys der Fraktion im schwarzen Anzug, weißen Hemd und dunkler Sonnenbrille »Mathilda« zum Besten gibt, geht er glatt als
Blues Brother
durch. Und wenn er – dienstlich – Wolfgang Schäuble einen sicherheitspolitischen »Amokläufer« nennt, dem Gesundheitsreformer Karl Lauterbach empfiehlt, »einfach mal die Fresse halten«, oder unbeschwert erklärt, »die Union kann mich mal«, dann werden Erinnerungen an Alfred Tetzlaff wach.
Nun ist Politik aber entgegen häufigem Anschein keine Comedy, und so ist Strucks flotter Spruch, »Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt«, kein Ulk, sondern die deutsche Variante der Breschnew-Doktrin von der begrenzten Souveränität der Staaten: »Die klassische Landesverteidigung, wie wir sie aus Zeiten des Kalten Krieges kannten, hat nicht mehr erste Priorität. Aber natürlich ist das Vorgehen gegen internationalen Terrorismus Landesverteidigung in einem erweiterten Sinn.« 101
Immerhin rechtfertigt Struck als Verteidigungsminister seinen Ruf als »schlagfertiger Parteisoldat mit Hang zur Großspurigkeit« 102 – bereit, auch ohne jegliche Fachkompetenz ein Amt zu übernehmen. Die freilich liefert praktischerweise die Rüstungsindustrie in Gestalt seines persönlichen Beraters Werner Engelhardt, Ex-Aufsichtsratschefs von
Rheinmetall
. Auchdem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist er nicht abgeneigt. Überhaupt ist es ein Wunder, dass er damals nicht auf der Regierungsbank mit Zinnsoldaten spielte.
Seit 2005 hält er die Fraktion mit
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